Schattenspiel by Charlotte Link

Schattenspiel by Charlotte Link

Autor:Charlotte Link
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2011-06-15T22:00:00+00:00


Natalie saß im Schminkraum des Fernsehstudios und versuchte sich zu entspannen. Noch dreißig Minuten bis zu ihrer Talk-Show. Zwei Life-Interviews mit prominenten Persönlichkeiten. Die eine – Claudine Combe – war eine junge, bis vor wenigen Wochen noch völlig unbekannte Schauspielerin aus Frankreich, die im Old Vic die Ophelia gespielt und Kritiker wie Publikum zu Beifallsstürmen hingerissen hatte. Seitdem galt sie als die größte Neuentdeckung der englischen Theatergeschichte in den letzten zwanzig Jahren. Bei dem zweiten Gast handelte es sich um Liza Minelli, die sich zufällig gerade in England aufhielt. Die BBC war ungeheuer stolz, sie für ein Interview gewonnen zu haben.

Die meisten von Natalies Kollegen lasen in der Maske rasch noch einmal in ihrem Konzept oder memorierten die Einführungsworte. Natalie tat das nie. Sie versuchte sich zu entspannen, während ein Make-up-Schwämmchen über ihr Gesicht strich, geschickte Hände sie mit Puder und Rouge bestäubten, während ihre Lippen sorgfältig umrandet und ausgemalt und ihre Wimpern kräftig getuscht wurden. Sie lauschte auf das beruhigende, gleichmäßige Surren des Föhns. Nancy, die Maskenbildnerin, hatte Festiger in ihr Haar gesprüht, zupfte nun die einzelnen Strähnen in Form und nahm den Föhn zu Hilfe, damit sie besser hielten.

»Jetzt müssen Sie wirklich nicht mehr nervös sein, Natalie. Jeder wird Sie bildschön finden.«

Natalie schlug die Augen auf. Mit Hilfe von Make-up, Puder und Rouge sah sie sehr gesund und energiegeladen aus. Sie trug ein elegantes, rostrotes Leinenkostüm mit einer cremefarbenen Seidenbluse darunter, wie immer ein wenig zu streng für ihr Alter, aber sehr passend zu ihrem Gesicht.

»Ich bin ja auch überhaupt nicht nervös, Nancy«, sagte sie.

Das stimmte nicht, und sie wußte es. Sie war so nervös, wie es ein Mensch nur sein konnte, und ohne das Valium wäre sie wohl einfach weggelaufen. Die heutige Sendung war die dritte, die sie moderierte.

»Am Anfang ist es immer am schwersten«, hatte der Produzent tröstend gesagt, als sie vor ihrer ersten Sendung wie ein Häufchen Elend auf ihrem Stuhl gekauert und die Kameras panisch angestarrt hatte. »Aber die ganze Sache wird immer mehr zur Routine, glauben Sie mir. Eines Tages ist es überhaupt kein Problem mehr.«

Überhaupt kein Problem mehr! Manchmal dachte sie wütend: Was wißt ihr denn von meinen Problemen! Es wurde nicht besser, hatte sie den Eindruck, sondern immer schlimmer. Das Valium war ein Teufelszeug, und so sehr sie es brauchte, so sehr haßte sie es auch. Es beruhigte an der Oberfläche, machte benommen und phlegmatisch und legte sich wie eine kühle Hand über die zuckenden Nervenenden. Aber innen kribbelte es weiter, da lag die Angst sprungbereit auf der Lauer, da war noch immer das Gefühl, schreien zu müssen – nur, daß die Valium-Glocke außen jeden Schrei verhinderte.

»Nervosität kann man sich auch wirklich schenken«, sagte Nancy jetzt und legte noch etwas Gloss auf Natalies Lippen. »Ich meine immer, es bringt einem ja nichts. Man muß ja sowieso da durch, und man macht sich nur das Leben schwer, wenn man sich darüber aufregt.« Nancy hatte ihre eigene kleine Philosophie zu jedem Thema und gab sie bereitwillig zum Besten. Es hätte keinen Sinn gehabt, ihr klarmachen zu wollen, das manche Menschen komplizierter strukturiert waren als sie.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.