Saschenka. Roman by Simon Montefiore

Saschenka. Roman by Simon Montefiore

Autor:Simon Montefiore [Montefiore, Simon]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104027371
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2013-11-13T05:00:00+00:00


20

Zwei Tage waren vergangen, und die Patriarchenteiche lagen im Halbdunkel der Dämmerung. In der schwülen Luft spazierten Pärchen wie rosa Schatten händchenhaltend um die kühlen Teiche unter den Bäumen. Schritte knirschten auf dem Kies, Lachen perlte, und irgendwer spielte Akkordeon. Zwei alte Männer starrten reglos auf ein Schachbrett.

Saschenka, mit ihrem Hut und ihrem weißen, perlenbesetzten Kleid, das sich eng um die Hüften schmiegte, kaufte zwei Eis und reichte eines Benja Golden. Sie gingen mit leichtem Abstand zueinander, doch ein aufmerksamer Beobachter hätte bemerkt, dass sie ein Liebespaar waren, denn ihre Körper bewegten sich synchron, als wären sie durch unsichtbare Fäden verbunden.

»Hast du viel zu tun?«, fragte sie ihn.

»Nein, ich hab praktisch nichts zu tun und kein Geld, um es zu tun. Aber« – jetzt flüsterte er – »ich schreibe den ganzen Tag furios auf deinem herrlichen Papier! Kann ich mehr davon haben? Ich freu mich so, dich zu sehen. Ich sehne mich einfach danach, dich wieder zu küssen, dich zu schmecken.«

Sie seufzte, schloss halb die Augen.

»Soll ich weitersprechen?«

»Ich kann nicht glauben, dass ich hören möchte, was du da sagst – aber so ist es.«

»Ich möchte dir etwas Verrücktes erzählen. Ich möchte mit dir durchbrennen, ans Schwarze Meer. Ich möchte mit dir am Strand von Batumi spazieren gehen. Auf der Promenade spielt ein Leierkasten alle unsere Lieblingsschnulzen, und ich könnte mitsingen, und dann, wenn die südliche Sonne untergeht, könnten wir draußen vor Mustaphas Café sitzen und uns küssen. Kein Mensch würde uns daran hindern, aber um Mitternacht würden uns ein paar alte Tataren, die ich kenne, in ihrem Boot in die Türkei bringen –«

»Was ist mit meinen Kindern? Ich könnte sie niemals verlassen.«

»Ich weiß, ich weiß. Deshalb finde ich dich ja so anziehend, unter anderem.«

»Du bist schrecklich verdorben, Benja. Was mache ich bloß mit dir?«

»Du bist eine wunderbare Mutter. Ich habe mich mein Leben lang schlecht benommen – aber du nicht. Du bist eine echte Frau aus Fleisch und Blut, Parteimatrone, Chefredakteurin, Mutter. Übrigens, wie läuft’s in der Redaktion?«

»Hektisch. Das Frauenkomitee plant eine Gala zu Genosse Stalins Sechzigstem im Dezember, und wir bringen eine Sonderausgabe für die Revolutionsfeiertage. Und Flöckchen fährt zum ersten Mal ins Pionierlager Artek, ich hab einen Platz für sie ergattert – sie kann es kaum erwarten, ihr berühmtes rotes Halstuch zu tragen. Aber das Beste ist, Gideon ist wieder zu Hause.«

»Aber sein Schicksal könnte trotzdem besiegelt sein, das weißt du. Vielleicht ist er für sie nur ein Fisch am Haken.«

»Nein, Wanja meint, er ist aus dem Schneider. Genosse Stalin hat auf dem Parteitag gesagt –«

»Schluss mit dem Parteigeschwätz, Saschenka«, sagte Benja mit Nachdruck. »Wir haben keine Zeit, um über Parteitage zu reden. Nur das Jetzt zählt! Und wir.«

Sie bogen um eine Ecke, weg von den Teichen, und plötzlich waren sie ganz allein. Saschenka nahm seine Hand. »Freust du dich darüber, mich zu sehen?«

»Ich warte den ganzen Tag darauf. Jede Minute.«

»Wieso guckst du dann so spitzbübisch und verschlagen? Warum hast du mich hierhergelockt?«

Sie näherten sich einem Torbogen, der in einen Hof führte. Golden sah sich um, ob irgendjemand



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