Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788 by Moritz Karl Philipp

Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788 by Moritz Karl Philipp

Autor:Moritz, Karl Philipp
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Die Andere Bibliothek
veröffentlicht: 2014-01-01T05:00:00+00:00


Rom, den 10. Oktober.

Der unglückliche Erdensohn, welcher auf der weiten Welt keinen Zufluchtsort mehr findet, ist doch sicher, nicht zu verhungern, wenn er als Pilger nach der heiligen Stadt wallfahrtet, wo ohne Unterlaß gesungen, gebetet und gebettelt wird.

Eine Suppe und ein Stück Brod findet er des Mittages bei jedem Kloster; und je schneller einer dieß Mahl verzehren und mit seinem Topfe von einem Kloster zum andern laufen kann, desto mehrere Suppen kann er einärndten; weswegen man denn auch des Mittages immer eine Menge von Bettlern wie unsinnig mit ihren Töpfen auf den Straßen laufen sieht.

So polizeiwidrig dies nun auch seyn mag, so tröstend bleibt doch der Gedanke, daß es einen Ort in der Welt giebt, wo der Allerärmste, von dem Schicksal ganz Verstoßene, und von allen Menschen Verlassene doch vor dem Verhungern gesichert ist.

So wie bei den Alten der Arm und Hülflose zu dem heiligen Heerde trat, und unverletzlich war, wenn er zum Jupiter flehte, der das heilige Strafrecht schützte: so ist auch hier der Bettler gleichsam eine unverletzliche Person: dem, wenn er noch so zerlumpt, und sein Anblick noch so ekelhaft und widrig ist, dennoch der Zutritt nicht versagt werden darf, wenn er z. B. in einem Kaffeehause sich in den glänzendsten Zirkel mischt, und nach der Reihe umhergeht, um bei jedem seine Bitte besonders anzubringen.

Non c’e niente! (es ist nichts vorhanden; oder ich habe nichts bei mir!) ist dann der gewöhnliche Ausdruck, womit man seine abschlägige Antwort ertheilt; wenn dann der Bettelnde noch ferner anhält, so hütete man sich sehr, ihn grob abzufertigen, sondern giebt ihm zuletzt die milde Antwort: iddio vi provedera! (Gott wird für euch sorgen!) womit dann der Anhaltende sich gemeiniglich beruhigt; denn wenn man ihn erst auf Gott und dessen Vorsehung verweist, so ist ihm das ein sicheres Zeichen, daß man selber nicht gesonnen ist, ihm einige thätige Hülfe zu leisten, oder die Stelle der Vorsehung bei ihm zu vertreten.



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