Quo vadis? by Sienkiewicz Henryk

Quo vadis? by Sienkiewicz Henryk

Autor:Sienkiewicz, Henryk
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


Dreiunddreißigstes Kapitel.

Vinicius schritt geradeswegs auf das Haus zu, in dem Mirjam wohnte. An der Tür erblickte er Nazarius, der sich über sein Erscheinen wunderte, aber er begrüßte ihn freundlich und bat den jungen Mann, ihn zu seiner Mutter zu führen.

In der Wohnung befanden sich außer Mirjam noch Petrus, Glaukos, Crispus und ebenso Paulus von Tarsos, der erst kürzlich von Fregellae zurückgekehrt war. Beim Anblick des jungen Tribunen drückte sich auf allen Gesichtern lebhaftes Erstaunen aus. Er sagte: »Ich grüße euch im Namen Christi, den ihr verehrt.«

»Sein Name sei hochgelobt in alle Ewigkeit!«

»Ich habe eure Tugend erkannt und eure Güte erfahren, daher komme ich als euer Freund.«

»Auch wir begrüßen dich als Freund,« erwiderte Petrus. »Setzte dich, Herr, und nimm als Gast an unserem Mahle teil.«

»Ich will mich setzen und euer Mahl teilen; zuvor aber hört mich an, du Petrus und du Paulus von Tarsos, damit ihr meine Aufrichtigkeit erkennt. Ich weiß, wo Lygia ist; ich komme soeben vom Hause des Linus, das hier in der Nähe liegt. Ich besitze ein Recht auf sie, denn der Caesar hat sie mir geschenkt, und ich habe in meinem Hause an fünfhundert Sklaven; ich könnte daher ihr Versteck umzingeln und sie entführen lassen. Dennoch habe ich es nicht getan und werde es auch nicht tun.«

»Dafür wird der Segen des Herrn auf dir ruhen und dein Herz läutern,« antwortete Petrus.

»Ich danke dir, aber hört mich weiter an. Ich habe es nicht getan trotz meines Verlangens und meiner Sehnsucht. Ehe ich bei euch war, hätte ich sie unzweifelhaft entführt und mit Gewalt zurückgehalten, aber eure Tugend und eure Religion haben, obgleich ich kein Bekenner der letzteren bin, eine Umwandlung in meinem Herzen bewirkt, so daß ich nicht mehr an Gewalt zu denken vermag. Ich weiß selbst nicht, wie dies gekommen ist, aber es ist so! Darum komme ich zu euch, die ihr Elternstelle an Lygia vertretet, und bitte euch: Gebt mir sie zum Weibe, und ich schwöre euch, sie nicht nur an der Verehrung Christi nicht zu hindern, sondern ich will mich auch selbst in seiner Lehre unterweisen lassen.«

Er hatte erhobenen Hauptes und mit fester Stimme gesprochen; aber doch war er erregt, und die Füße zitterten ihm unter seinem verbrämten Mantel. Als alle auf diese Worte hin schwiegen, fuhr er fort, wie um einer ungünstigen Antwort vorzubeugen: »Ich weiß, wie groß die Hindernisse sind, aber ich liebe sie wie mein Augenlicht und bin, obgleich ich noch kein Christ bin, doch weder euer noch Christi Feind. Ich will offen vor euch sprechen, damit ihr mir trauen könnt. Es handelt sich in diesem Augenblicke um mein Leben, und dennoch will ich euch die Wahrheit sagen. Ein anderer würde euch vielleicht sagen: Tauft mich! – Doch ich sage: Erleuchtet mich! Ich glaube, daß Christus von den Toten auferstanden ist, denn Männer berichten es, denen man Glauben schenken muß und die ihn nach seinem Tode gesehen haben. Ich glaube es, denn ich selbst habe erfahren, daß eure Religion die Tugend, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit predigt, nicht aber die Verbrechen, deren man euch beschuldigt.



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