Praktiken der Selbstbestimmung by Ulf Bohmann Stefanie Börner Diana Lindner Jörg Oberthür & André Stiegler

Praktiken der Selbstbestimmung by Ulf Bohmann Stefanie Börner Diana Lindner Jörg Oberthür & André Stiegler

Autor:Ulf Bohmann, Stefanie Börner, Diana Lindner, Jörg Oberthür & André Stiegler
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden


Eine Implikation des Neoliberalismus ist es nach Auffassung seiner KritikerInnen hingegen, an die Stelle jeglicher pluraler und konfliktiver Diskussion den Verweis auf die Alternativlosigkeit bzw. die Existenz einer (gemäß ökonomischer Maßstäbe) eindeutig richtigen oder besten Lösung zu setzen (vgl. Ritzi und Lemke 2015). Auf diese Weise werde der politische Diskurs inhaltlich verengt: da vor allem ökonomische Themen und Argumente den Diskurs prägen, werden andere Inhalte immer häufiger ökonomisch geframed (beispielsweise werden familienpolitische Fragen im Hinblick auf ihre ökonomischen Konsequenzen diskutiert, statt mit Blick auf individuelles gutes Leben). Hinzu kommt der von postdemokratischen AutorInnen konstatierte Einflussgewinn von ExpertInnen auf die Gesellschaft und somit auch auf die politische Öffentlichkeit. Auch hier spielen ÖkonomInnen eine besondere Rolle.

Ein solcher Strukturwandel politischer Diskurse lässt sich – auf der Basis einer theoretischen Weiterentwicklung der Aussagen der postdemokratischen TheoretikerInnen, deren unmittelbare Ausführungen keine analytische Basis für eine empirische Verifikation oder Falsifikation ihrer Thesen darstellen – auch empirisch testen (vgl. Ritzi 2014, S. 221 ff.), wenngleich eine entsprechende umfassende Prüfung von Transformationsprozessen beispielsweise der deutschen Öffentlichkeit noch aussteht.2 Zentrale Dimensionen stellen dabei die Verwirklichung des Ideals der Gleichheit, thematische Offenheit und das Maß an Diskursivität (das u. a. die Anerkennung von Kontingenz und die Abbildung von Konflikten umfasst) dar. Könnte – beispielsweise anhand einer Zunahme ökonomischer und einer Abnahme gleichheitsorientierter Argumente – festgestellt werden, dass sich ein neoliberaler Strukturwandel politischer Öffentlichkeit vollzogen hat, wäre dies ein wichtiger Beleg für die Aussagen von Autoren wie Crouch, Rancière und Wolin. Im Fall einer Widerlegung der These vom neoliberalen Einflussgewinn auf die öffentlichen Diskurse wäre hingegen kritisch zu fragen, wie ein grundlegender Wandlungsprozess zeitgenössischer Demokratie vonstattengehen soll, der weder auf institutionellen noch auf diskursiven Veränderungen basiert. Ein solches Ergebnis könnte entsprechend als Falsifikation zentraler postdemokratischer Annahmen gelten. Der enge Zusammenhang zwischen Neoliberalismus, diskursiver Macht und gesellschaftlichem Wandel wird grundlegend in Ausführungen von Wendy Brown (2003, 2006, 2011) beschrieben. Sie rekonstruiert die Wirkungsweise des Neoliberalismus als jene eines Rationals – und weil er als solches agiere, habe er umfassende Konsequenzen für die Gesellschaft und den politischen Raum, welche weit über den Einfluss auf konkrete politische Entscheidungsprozesse hinausgehen:[A] political rationality is a specific form of normative political reason organizing the political sphere, governance practices, and citizenship. A political rationality governs the sayable, the intelligible, and the truth criteria of these domains. Thus, while neoliberal political rationality is based on a certain conception of the market, its organization of governance and the social is not merely the result of leakage from the economic to other spheres but rather of the explicit imposition of a particular form of market rationality on these spheres. Neoliberalism [is] a form of political reasoning that articulates the nature and meaning of the political, the social and the subject (Brown 2006, S. 693).



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