Poetologien deutschsprachiger Literatur 1930–1960 by Moritz Baßler Hubert Roland Jörg Schuster

Poetologien deutschsprachiger Literatur 1930–1960 by Moritz Baßler Hubert Roland Jörg Schuster

Autor:Moritz Baßler, Hubert Roland, Jörg Schuster
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2016-04-15T00:00:00+00:00


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Das ‚höherer‘ Gnade bedürftige ‚unreine‘ Verhältnis zum nationalsozialistischen Staat lässt sich in Langgässers persönliche und literarische Erlösungsszenarien einpassen. Es differiert wesentlich von der klaren Bestimmtheit, mit der sich Ernst Jünger in seinen Erinnerungen an das Erscheinen der Marmorklippen zu seinem Verhältnis zu den nationalsozialistischen Machthabern und zur Literatur der ‚Inneren Emigration‘ äußert.

In der Tat wirkte das Buch sogleich wie eine Eruption und ich hatte während des ganzen Krieges Schwierigkeiten damit. [...] In meinem Archiv liegen Hunderte von Belegen, die ich auch dort ruhen lasse, denn ich rechne mich nicht zur ‚inneren Emigration‘ oder zu den Autoren von ‚verdeckter Schreibweise‘, sondern ich habe mich für jeden, der lesen konnte, gezeigt.579

In der ‚nachweislichen‘ Kontinuität eines elitären und antibürgerlichen Selbstverständnisses versichert Ernst Jünger die Modernität seiner Dichtung – und mit dieser zugleich auch seine moralische Integrität. Aus diesem Selbstbewusstsein heraus (das sich zugleich doch auch als das Bedürfnis nach Rechtfertigung identifizieren lässt580) formuliert Jünger 1963 das Vorwort zur Wiederauflage seines Essays Der Arbeiter. Ausdrücklich weist er in diesem Vorwort darauf hin, dass an dem Essay seit seiner dritten Auflage von 1942 nichts verändert wurde, und selbst noch das Vorwort zur ersten Auflage von 1932 wurde unverändert in die Neuauflage des Essays mit aufgenommen. „[A]us Gründen der Dokumentation“, so schreibt Jünger, habe er darauf verzichtet, eine der vielen überarbeiteten Varianten und Fassungen des Essays zu präsentieren, die seit dem ersten Erscheinen des Buches entstanden. Der Öffentlichkeit werde ein „unberührte[r] Text“ übergeben, in dem sich sein Autor ‚zeige‘.

Für Langgässer besteht, ganz pragmatisch gesprochen, nach ihrem Ausschluss als ‚jüdischer Mischling‘ aus der Reichsschrifttumskammer keine Möglichkeit mehr, sich in literarischen Werken zu ‚zeigen‘ - es sei denn, sie verließe Deutschland. Nur eine Gelegenheit bietet sich noch. Langgässer nimmt sie wahr: Kurz vor dem sogenannten Anschluss erscheint ihr Novellenband Rettung am Rhein in Österreich. Der Text wird noch gedruckt, findet aber keine Verbreitung mehr.581 An seinem Beispiel lassen sich die zentralen Fragen zum Spannungsfeld von (inhaltlicher) Regression und (ästhetischer) Modernität im Werk Langgässers besonders anschaulich illustrieren und mögliche Antworten skizzieren.



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