Planen oder treiben lassen? by Timm Klotzek
Autor:Timm Klotzek
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2010-09-08T16:00:00+00:00
Guten Freunden schenkt man ein Küsschen. Fünf Freunde, das sind wir. In aller Freundschaft. That’s what friends are for. Friends will be friends. 11 Freunde müsst ihr sein …
Kaum ein Begriff, der in so viele Spielarten, Untergruppen, Interpretationsarten unterteilt wird: Busenfreund, bester Freund, enger Freund, Schulfreund, Sandkastenfreund, Kumpel, Bekannter, Gefährte, Genosse (und bis hierhin mussten wir noch nicht mal ins Synonymwörterbuch schauen).
Dass das so ist, liegt wahrscheinlich daran, dass es kaum einen Begriff gibt, der so interpretationsoffen ist und für alle Welt gleichzeitig so sympathisch klingt wie die Freundschaft. Niemand wird ernsthaft am Segen einer guten Freundschaft zweifeln; aber jedem bleibt es selbst überlassen, das Wort mit Sinn zu füllen. Dass jeder denken kann, was er will, ist ja nicht schlecht. Aber gleichzeitig höhlt diese Inflation den Begriff aus. Wenn selbst irgendein entfernter Bekannter eines Bekannten, der uns auf Facebook nervt, von der Website zum „Freund“geadelt wird, wenn sogar diese Horrortruppe, die in der Chio-Chips-Werbung eine arme Seele mit einem unangemeldeten Gute-Laune-Besuch quält, „Freunde“darstellen soll - dann mag man bald gar niemanden mehr als einen Freund bezeichnen.
Historisch gesehen sind die vielfachen Interpretationsmöglichkeiten der Freundschaft allerdings gar nicht falsch. Der „Freund“bezeichnete früher nicht die Menschen unserer Wahl, sondern ganz allgemein diejenigen, die einander aufgrund ihrer Lebensumstände nahestanden und miteinander bekannt waren. Das waren Verwandte ebenso wie Mitglieder einer Sippe. Ein Freund war ein Nichtfremder.
Das muss der Freundschaftsbegriff scheinbar bis heute aushalten können. Und das kann er auch, denn in seiner Unbestimmtheit liegt auch sein Segen. Anders als in einer Liebesbeziehung gibt es in einer Freundschaft keine allgemeingültigen Regeln. Anders als in einer Familie gibt es keine vorgegebenen Hierarchien. Stattdessen, so klärt in seinem Essay Über die Freundschaft jedenfalls der französische Philosoph Michel de Montaigne die Lage, ist eine Freundschaft „eine auf wechselseitigem Verständnis beruhende innige Beziehung“. Das wichtigste Merkmal dieser Beziehung sei „gegenseitige Teilnahme“.
Schon wenn einer von zwei Freunden feststellt, dass er sich zwar regelmäßig nach dem Wohl des anderen erkundigt, selbst aber nie gefragt wird, wie es ihm geht, sieht Montaigne (vermutlich zu Recht) ein großes Problem. Der griechische Alleskönner und Allesdenker Aristoteles ging ein paar Jahre zuvor (etwa 1900 Jahre zuvor, um genauer zu sein) noch einen Schritt weiter: Er sah die Freundschaft als die „Krönung der Gesellschaft“- und zwar, weil sie für ihn die einzige Form menschlicher Gemeinschaft war, die nur sich selbst als Zweck kennt. Bei Aristoteles klingt das so: „All jene Beziehungen nämlich, die aus gesellschaftlichem Bedürfnis oder Gewinnstreben, aus öffentlicher und persönlicher Notwendigkeit entstehen und gepflegt werden, sind umso weniger schön und edel und daher umso weniger wahre Freundschaften, als sich hier andere Gründe, Zwecke und Erwartungen beimischen.“
WIE VIELE FREUNDE SIND EIGENTLICH NUR GUTE KONTAKTE? WIE VIELE SIND NUR FOLKLORE?
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