Pallieter by Timmermans Felix

Pallieter by Timmermans Felix

Autor:Timmermans, Felix [Timmermans, Felix]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-10T05:00:00+00:00


Pallieter sagte: »Beiaard, wir gehen zu Mariechen, aber erst will ich noch was essen!« Er ließ sich vom Pferd gleiten und schwamm ans Ufer. — Das Wasser stürzte aus seiner Hose wie aus einer Pumpe. Er lief durch den Garten, blieb aber stehen, betroffen von dem feinen Duft und den schönen Farben der Blumen.

Seht nur die Hunderte von Rosen, faustgroß, aufgerollt und aufgebrochen zu Schneeweiß oder Weinrot, rosig wie der Morgen, oder safrangelb in Milch gebleicht.

Wer wagt es, die samtenen Stiefmütterchen zu zählen, die dunkellila oder mit einem weiß und gelben Klabautermannsgesichtchen ganze Beete füllten! Rund um den Mühlenhügel stachen ihm die goldenen Sonnenblumen Tränen in die Augen, und aus einer breiten Umrandung von blühenden Geranien sprühte das Springbrünnlein, strahlend wie ein Schwert, seinen Perlenschwanz auseinander. Hier wie buntes Feuerwerk der japanische Rasen, dort leuchtender als Apfelsinen die Kelche der Schwertlilien, und dann, daß man es kaum glauben und nie mehr vergessen konnte, alles beherrschend und überwältigend, die übermütigen roten und orangegelben Kapuzinerkressen in Ranken an der weißen Mauer und um die dicken Obstbäume herum! O Gott, sie waren wie Flammen, die aufzüngelten und aus der Erde herausschlugen.

Ah, überall war das leidenschaftliche Aufbrechen des schönsten Lebens. Es war zu viel für die Menschen. Und die Düfte, die einem die Seele größer werden lassen! Es war Anfang und Ende alles Glückes. Pallieter wurde das Herz trunken im Leibe, und er sagte mit Bitterkeit: »Was für ein Ochse kann noch nach einem Himmel verlangen, wenn er so etwas sieht!« Er ging hinein und aß und kam wieder mit seinem Dudelsack unter dem Arm; es war das Instrument, in dem er am liebsten seine Seele leben ließ.

Er schwamm hinüber, setzte sich auf Beiaard, und im Schritt ritten sie über die heißen Stoppelfelder. Die Sonne trocknete seine Kleider, während er, sich mit seinem Dudelsack begleitend, die lustigsten Lieder sang und an Mariechen dachte.

Die grunzenden Töne summten hoch um ihn her und waren weithin hörbar, und mancher Bauersmann kam an die Tür, um zu lauschen.

Vor ihm aus einem Graben flog ein Storch geräuschvoll auf. »Petrus!« rief Pallieter. Der große Vogel erkannte ihn sofort und schwebte in großen Kreisen niedrig über ihm her. Seine roten Beine hingen lahm an ihm herunter, und die schwarz und weißen Flügel waren rein wie frisch gewaschen und schimmernd in der Sonne. Dann und wann schoß der große Vogel plötzlich voraus, ließ sich zur Seite hängen, den einen Flügel nach unten, stieg hoch auf und sank dann wieder regungslos langsam hinunter. Und mit dem Gang des Pferdes flog und spielte er in der Luft.

Die Mühlen standen da mit stillem Kreuz, und am Wege lag ein umgestürzter Pflug. Das war die Ruhe der Felder. Auf den schmalen Feldwegen gingen Bauern in blauen Kitteln und weißbemützte Bäuerinnen auf das schwache Glockenläuten zu, das aus einem spitzen Kirchtürmchen kam, und auf der fernen Landstraße war manchmal das Blitzen eines trägen Radfahrers.



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