Pakistan - Land der Extreme by Katja Mielke

Pakistan - Land der Extreme by Katja Mielke

Autor:Katja Mielke [Mielke, Katja]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
veröffentlicht: 2014-06-22T22:00:00+00:00


Die Großgrundbesitzer

Bis in die 1980er Jahre sprach man unter dem Eindruck der agrarisch ausgerichteten Volkswirtschaft von «22 Familien», welche die politischen Parteien dominieren und die Wirtschaft mehr oder weniger vollständig unter sich aufgeteilt haben. Der Mythos der «22 Familien» geht auf den einstigen Chefökonomen der staatlichen Planungskommission, Mahbub-ul-Haq, zurück. Dieser hatte 1968 offengelegt, dass 22 Familien 66 Prozent des Industriesektors und 87 Prozent der Banken- und Versicherungseinlagen kontrollierten. Im Laufe der Zeit ist die Zahl der Einflussreichen durch eine sektorale Diversifizierung und die für Pakistan typische Verquickung von wirtschaftlichen mit politisch-administrativen und militärischen Eliten weiter gestiegen. Man spricht heute von regelrechten Dynastien. Ihr aktueller Reichtum basierte zwar ursprünglich auf Landbesitz, aber dieser allein reicht heute nicht mehr aus, um in die Rangliste der mittlerweile mindestens 44, wenn nicht gar in die Tausende gehenden reichsten pakistanischen Familien zu gelangen. Aufstieg und Reichtum vieler «großer Familien», die polemisch häufig als «Feudalherren» (feudals) bezeichnet werden, gehen auf die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte und den Betrieb von Baumwollspinnereien, Textil- und Zuckerfabriken zurück, die heute noch ein wichtiges Standbein ihrer börsendotierten Unternehmenskonglomerate bilden.

So ist es nicht mehr die Produktionsweise, aber der Habitus und das Auftreten der landbesitzenden Eliten in Pakistan, die nach wie vor als «feudal» bezeichnet werden können. Die Macht vieler Familien beruht zudem auf einer traditionell-religiösen Legitimität, die sie aus dem Familiennamen «Sayyed» als Nachfolger des Propheten ziehen. Ihre Bedeutung als lokale pirs, die als spirituelle Führer, Heilige oder als deren Nachkommen von der Bevölkerung sehr verehrt werden, macht sie politisch unangreifbar.

Die zweite wesentliche Machtbasis der «Landlords» bildet ihr jeweiliges Solidaritäts- und Beziehungsnetzwerk (biraderi). Die Angehörigen eines Netzwerks profitieren vom Weiterkommen einer Person allein aufgrund der Tatsache, dass sie alle Teil desselben Beziehungsgeflechts sind. Ethnische, religiöse oder sprachliche Unterschiede zwischen den Angehörigen einer solchen Gemeinschaft spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Der Zusammenhalt manifestiert sich innerhalb der ländlichen Gesellschaft auch schichtenübergreifend, insbesondere zwischen Pächtern und landlosen Abhängigen auf der einen und dem Landbesitzer auf der anderen Seite. Kollektives Wahlverhalten, das heißt die bedingungslose Unterstützung des Kandidaten, der dem Netzwerk des Landbesitzers angehört, ist eine bekannte Folge dieser Solidaritätsbeziehungen. Allerdings bilden die Agrarindustriellen und Landbesitzer heute nur mehr einen Teil der politischen Elite. Viele haben ihre Parteimandate im Laufe der Zeit aufgegeben, da sich ihnen alternative Kanäle für die Mehrung von Reichtum und politischem Einfluss eröffneten. So hat sich der pakistanische «Landadel» durch Heiratsallianzen mit Familien aus Militär, Industrie, Finanzsektor und Staatsdienst eine breitere gesellschaftliche Basis geschaffen, über deren weitreichende Beziehungsnetzwerke er politisch Einfluss nehmen kann. Die Abgrenzung zwischen einer landbesitzenden und einer militärischen, wirtschaftlichen oder bürokratischen Elite ist in den letzten Jahrzehnten zunehmend hinfällig geworden.



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