Ostseekreuz by Eva Almstädt

Ostseekreuz by Eva Almstädt

Autor:Eva Almstädt [Almstädt, Eva]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Lübbe
veröffentlicht: 2022-03-24T23:00:00+00:00


22. Kapitel

Nach dem Mittagessen zog es Pia in die Klosterbibliothek. Sie hoffte, Bruder Lambert vielleicht in ein Gespräch über die Geschichte des Klosters Naumar und der Bibliothek verwickeln zu können.

Gegen fünfzehn Uhr sollte sie sich mit dem Novizen Noah in einem der Besprechungsräume treffen. Bruder Thomas hatte für sie organisiert, dass der junge Mann ihre »geistliche Begleitung«, wie er es nannte, übernahm. Eine Ausnahme, da doch ansonsten alle Angebote des Klosters für die Gäste vorerst ausgesetzt worden waren.

Obwohl sich Pia nach wie vor davor fürchtete, über ihre Entführung zu reden, verstand sie es doch als Chance. Sie konnte einem neutralen Zuhörer so viel oder so wenig erzählen, wie sie wollte. Und dann würde sie schauen, wohin es sie führte.

Sie klopfte kurz gegen die alte Türfüllung und betrat die Bibliothek. Im vorderen Bereich war niemand zu sehen. Pia fragte halblaut, ob jemand da sei. Sie erhielt keine Antwort. Kein Geräusch war zu hören außer dem Knacken der alten Fensterrahmen, wenn der Wind dagegendrückte, und dem Pfeifen, wenn er durch die Ritzen drang. Da die Tür zur Bibliothek nicht abgeschlossen gewesen war, musste sich Bruder Lambert entweder im hinteren Teil der Bibliothek befinden, oder er war hinausgegangen, kehrte aber vermutlich gleich zurück.

Pia ging an den Regalen im ersten Raum entlang, zog ab und zu ein Buch heraus, das sie interessierte. Das Licht, das durch die hochliegenden, schmalen Fenster fiel, reichte nicht bis zwischen die Regale, sodass Pia Mühe hatte, die klein gedruckten Titel zu entziffern.

Einen Lichtschalter konnte sie allerdings auch nicht entdecken. Sie ging um eine Ecke, auf der Suche nach einer Möglichkeit, mehr Licht zu machen. Ihre Schritte waren wegen der Turnschuhe auf den alten Steinfliesen nicht zu hören.

Sie lief ein paar der Gänge ab, kam an Bruder Lamberts Arbeitsplatz vorbei, der ebenfalls verwaist war. Ein Foliant lag auf der Arbeitsfläche, daneben ein Notizbuch. Pia zögerte. Allzu weit wollte sie nicht in das Reich des Mönchs vordringen.

Als sie zurück in Richtung des Eingangsbereichs ging, sah sie zwischen zwei hohen Regalen den dunklen Umriss eines Menschen. Er stand regungslos im Halbdunkel. Sie konnte nicht erkennen, wer es war. Nur, dass es kein Mönch in einer Kutte war.

Pias Mund wurde trocken. Der Mann versperrte ihr den Ausgang nach draußen. Sie sah über ihre Schulter. Zurück in die Tiefen der Bibliothek zu laufen war keine verlockende Alternative. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, hier allein herzukommen, wenn ein Mörder noch immer unerkannt herumlief? »Hallo, wer ist da?«, fragte sie.

Der Mann fuhr herum. »Pia? Hast du mich erschreckt!«

»Du mich aber auch«, antwortete sie. »Ich suche nach Bruder Lambert.«

»Dort hinten? Du traust dich ja was. Das hätte ich gar nicht von dir gedacht, jedenfalls nicht nach unserer Begegnung neulich im Wald.« Jürgen kam langsam näher.

»Was willst du damit sagen?«

»Nicht ohne eine Axt in der Hand«, antwortete er und grinste süffisant.

Sie schüttelte ärgerlich den Kopf. »Du hast mich im Wald beobachtet. Da hätte Gott weiß wer stehen können.« Ihre leere rechte Hand hielt sie hinter dem Rücken. Ab heute würde sie ihre Dienstpistole ständig tragen, nahm sie sich vor.



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