Onkel Humbert guckt so komisch by Kanitz Brigitte

Onkel Humbert guckt so komisch by Kanitz Brigitte

Autor:Kanitz, Brigitte
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: blanvalet
veröffentlicht: 2014-05-19T04:00:00+00:00


15.

Ein Herz tanzt Rumba

Gino stand plötzlich an meinem Tisch. Sein Blick war umwölkt.

»Was ist passiert?«

»Äh – nichts. Jette ist nur eingefallen, dass sie einen wichtigen Termin hat.«

»Capisco«, sagte Gino verständnislos.

»Mit Doktor Friedenslieb. Das ist ein Arzt. Manchmal auch ein englischer Schauspieler oder ein polynesischer Häuptling. Kommt ganz darauf an.«

»Maja, ich bringe dir mehr Wasser.«

»Nein, danke. Ist schon gut.« Ich warf einen Schein zwischen leere Espressotassen und Grappagläser, nickte Gino zu und ging los. Möglichst langsam, um niemanden zu erschrecken. Musste mich allerdings dazu zwingen. Ob Jette sich überhaupt mit Carlo zufriedengab? Oder telefonierte sie just in diesem Moment schon mit jemandem in einer psychiatrischen Notaufnahme in Hamburg oder Lübeck?

Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Trotzdem drehte ich mich noch einmal kurz zu Gino um.

»Morgen früh stelle ich mich bei deinem Cousin vor. Ich werde pünktlich sein.«

»Bellissima«, erwiderte er mit einem schiefen Lächeln. »Das hat keine Eile. Ganz und gar keine Eile. Vielleicht ist diese Arbeit sowieso nicht das Richtige für dich.«

Trotz meiner Angst kicherte ich los. Da fürchtete aber jemand einen Familienkrieg, weil er eine Verrückte zum Bewerbungsgespräch geschickt hatte.

Als ich schon auf halbem Weg nach Hause war, blieb ich abrupt stehen. Was, wenn in der Goethestraße schon ein Krankenwagen auf mich wartete? Mit zwei bulligen Männern in weißen Kitteln davor, die mir mit der Zwangsjacke entgegenwinkten?

Gleichzeitig knurrte mein Magen. Klar, bisher hatte ich nur Flüssigkeit zu mir genommen, mit und ohne Alkohol.

Also, wohin? Wo konnte ich eine Weile untertauchen, was zu essen bekommen und Pläne schmieden? Musste mir überlegen, wie ich Jette von meiner geistigen Gesundheit überzeugen und den Blutsbrüdern das Handwerk legen konnte.

Kleinigkeit.

Ich lief weiter, schaute kaum hoch und drehte und wendete meine Probleme im Kopf herum, bis ich sie zu einem zähflüssigen Einheitsbrei zermatscht hatte.

Erst als ich über eine gewundene Einfahrt auf ein flaches rotes Klinkergebäude zusteuerte, merkte ich, wo ich war.

Alle Achtung, dachte ich geistesabwesend. Mal eben drei Kilometer auf hohen Schuhen abgerissen und kaum aus der Puste. Nur die Junisonne brannte mir inzwischen heiß auf den Kopf, und zwischen meinen Schläfen nahm der Schmerz zu.

Okay. Vielleicht einen Moment ausruhen. Dort auf der Parkbank, unter der ausladenden Eiche. Und dann schnell wieder verschwinden, bevor mich jemand entdecken und dumme Fragen stellen konnte.

Mein Blick schweifte über den gepflegten Rasen rechts und links von der Einfahrt. Kein Mensch zu sehen. Gut so. Ein paar Meter von der Bank entfernt stand ein leerer Liegestuhl. Der sah wesentlich bequemer aus. Hunger hatte ich im Augenblick keinen mehr. War nur ein wenig müde. Kein Wunder. An diesem einen Vormittag war ich mehr gelaufen als sonst im Wald. Und die viele Aufregung forderte zusätzlich ihren Tribut. Mit einem Seufzer der Erleichterung legte ich mich hin und schloss die Augen vor dem grellen Mittagslicht.

Nur ganz kurz.

Jemand stupste mich an.

»Geh weg, Jette«, murmelte ich. »Wir reden später weiter.«

Etwas Langes, Spitzes bohrte sich in meinen Oberarm.

»Aua. Lass das. Ich muss schlafen.«

»Musst du nicht«, erwiderte Jette mit einer merkwürdigen Altmännerstimme. »Du musst jetzt aufwachen. Die Leute wundern sich.«

»Lass sie doch. Bleib du nur bei mir und halte mich bitte nicht mehr für übergeschnappt.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.