One of the Girls by Lucy Clarke

One of the Girls by Lucy Clarke

Autor:Lucy Clarke [Clarke, Lucy]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller/Krimi
ISBN: 9783423442237
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2023-03-31T22:00:00+00:00


39

Fen

Fen verschränkte die Arme vor der Brust. So hatte sie sich schon seit Langem nicht mehr gefühlt; als müsse sie sich für ihre gesamte Erscheinung schämen, für ihre jungenhafte Frisur, die Tattoos, die Piercings in Ohren und Nase, ihre zu breiten Schultern und die kleinen Brüste, die sie mit einem Sport-BH flachdrückte.

In Gedanken hörte sie ihn zischen: Du widerst mich an.

Diese Gedanken waren so alt, so abgegriffen, dass sie sich wunderte, wie viel Macht sie noch immer über sie hatten.

Das war das Problem mit Ängsten: Wenn man ihnen auswich oder vor ihnen davonlief, wurden sie immer größer. Fen wusste, dass man sich seiner Furcht stellen musste, wenn man sie überwinden wollte. So einfach – und zugleich so schwierig – war das.

Sie sah über den Tisch hinweg Robyn an und ließ noch einmal den Moment Revue passieren, als sie sie auf dem hohen Felsvorsprung über dem Wasserloch gesehen hatte. Robyn hatte die Zehen in die Steinkante verkrallt. Fen hatte gesehen, wie ihre nackten Beine zitterten und ihre Brust sich unter ihren Atemzügen hob und senkte. Robyn hatte in die Tiefe gestarrt, war aber nicht zurückgewichen.

Schließlich hatte sie das Kinn gehoben und zum Horizont geblickt.

Und war gesprungen.

Um die Furcht zu überwinden, musste man sich ihr stellen.

Fen holte tief Luft und stand auf.

Einen Moment lang schien der Boden leicht zu schwanken, doch sie hob den Kopf und blickte geradeaus.

»Geht es dir gut?«, fragte Bella und hob eine Hand, als wollte sie Fen stützen.

»Dafür werde ich jetzt sorgen«, sagte Fen fast zu sich selbst. Ihre Beine trugen sie weg vom Tisch und in die schwach beleuchtete Taverne. Drinnen saß niemand, auch nicht an der Bar.

Sie zwang sich weiterzugehen. Sie kannte diesen engen Korridor mit dem offenen Mauerwerk, den aufeinander gestapelten Holzkisten und dem Duft von Speiseöl, der aus der dampfigen Küche drang. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie ließ alle Gefühle zu. Die Angst. Die Wut. Die Scham.

Hinter ihr erklangen Schritte auf dem Steinboden. Sie stammten von Ledersohlen. Er war es.

Nico.

Ihre Hände zitterten. Vielleicht konnte sie ihm doch nicht entgegentreten. Sie blickte sich um, entdeckte jedoch nirgendwo einen Ausweg. Sie roch sein Aftershave und merkte, wie sich ihr der Magen umdrehte. Sie erstarrte.

Auf dem Kistenstapel stand ein Tablett mit Besteck. In der Mitte lag ein Fleischermesser mit Holzgriff. Instinktiv griff Fen danach und drückte sich die silbrig blitzende Klinge mit der flachen Seite an den Oberschenkel.

Nico trat mit einem Stapel dreckiger Teller in den Korridor. Auf dem Weg in die Küche musste er direkt an ihr vorbei. Er sagte: »Hallo, die Dame«, und drehte die Hüften, um sie zu passieren.

Fen wurde von Panik ergriffen. Sie standen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber, sein Körper nur eine Handbreit von ihrem entfernt.

Als er beinahe vorbei war, fand sie endlich ihre Stimme wieder. »Erinnerst du dich an mich?«, fuhr sie ihn an.

Er blieb stehen und legte den Kopf schief. Einen Moment lang sah es so aus, als würde er mit den Achseln zucken und Nein sagen, doch dann ließ er den Blick zu ihrer linken Hand sinken.



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