Odo und Lupus 2 - Saxnot stirbt nie by Robert Gordian

Odo und Lupus 2 - Saxnot stirbt nie by Robert Gordian

Autor:Robert Gordian [Gordian, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-06-09T16:00:00+00:00


9

Ich erwachte spät. Als ich die Augen öffnete, sah ich, daß die meisten Schlafstellen leer waren. Auch der Graf war schon fort, ich lag allein auf dem Lager. Ohne Zögern fuhr ich in meine Kutte, schnallte die Sandalen an, stopfte mein Handtuch in die Tasche und ging hinaus. Die Morgensonne wärmte bereits. Der Himmel war erstmals seit Tagen klar. Ringsum herrschte Geschäftigkeit. In der Vorhalle wurden aus Körben Brot und Käse gefrühstückt. Einige junge Männer schnitten mit ihren Messern die letzten Fleischreste von einem Ochsenskelett. Unter ihnen war Heiko, der mir ein spöttisches »Salus, Franke!« zurief.

Auf dem Hof mußte ich Pferden ausweichen, die von Knechten vorübergeführt wurden. Unversehens befand ich mich mitten in einer Schafherde. Wie ein Boot in der Strömung trieb ich darin ein Stück mit. Ein paar Mägde am Brunnen amüsierten sich kreischend.

Ich ging zu ihnen, lachte mit und bat sie um einen Bottich mit Wasser. Den wollte ich selber tragen, aber sie ließen es nicht zu. Zwei von ihnen schleppten ihn hinter das Haus, wo sie ihn am Rande der Vorratsgrube niedersetzten.

Ich wusch mich. Dabei stand ich genau an der Stelle meines gestrigen Sturzes. Auf dem Boden der Grube sah ich noch den Abdruck meines Körpers. Daneben den umgefallenen Tonkrug, an dem ich mir die Schulter gestoßen hatte. Nur wenige Schritte vor mir befand sich im Zaun eine Pforte, so wie ich es in der Nacht schon vermutet hatte. Hinter ihr führte die steinerne Treppe zum Hain hinauf. Ich trocknete mir Gesicht und Hände ab, steckte das Tuch ein und ging um die Grube herum.

Der Riegel ließ sich ganz leicht zurückschieben. Das bedeutete wohl, daß die Pforte öfter benutzt wurde. Die Stufen bestanden aus rohbehauenen Steinplatten. Sie waren in regelmäßigen Abständen in die Böschung gerammt. Einen Augenblick zögerte ich noch. Eigentlich wollte ich jetzt mein Messer holen und mich rasieren. Aber dann raffte ich doch meine Kutte und stieg hinauf. Die Treppe mündete oben in einen ausgetretenen Pfad, an dessen Seite Sträucher und Gräser wucherten. Schon nach wenigen Schritten trat ich auf eine freie Fläche hinaus.

Ich hatte eine Dingstätte{17} vor mir.

Der Ort war eindrucksvoll, eine ganz von hohen Bäumen, vorwiegend Eichen, aber auch Buchen, Ulmen und Eschen umstandene Lichtung. In der Mitte erhob sich ein kleiner Hügel mit zwei Steinbänken darauf. Mehrere Stangen von Haselholz waren davor im Halbkreis in den Boden gesteckt, um den Ring zu markieren. Es war ein erhabener Naturtempel. Durch das Morgenlicht, den frischen Wind, den Tau auf den Gräsern, das Vogelgezwitscher war der Eindruck im Augenblick ein freundlicher. Doch fiel es nicht schwer sich vorzustellen, daß dieser Hain auch düster, bedrohlich und sogar schrecklich sein konnte.

Natürlich galt meine besondere Neugier der Eiche. Sie schien unter den gewaltigen Bäumen des Hain der größte und älteste zu sein. Fünf, sechs Männer hätten wohl ihre Arme breiten müssen, um den Stamm zu umspannen. Auf dieser Seite, der dem Salhof abgewandten, war an dem uralten Holz auf den ersten Blick nichts Eigentümliches zu entdecken. Oder doch: Es gab eine breite künstliche Einkerbung, die stellenweise sogar recht tief war.



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