Nach dem Beben by Haruki Murakami

Nach dem Beben by Haruki Murakami

Autor:Haruki Murakami [Murakami, Haruki]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3832186093
Google: rJgfAAAACAAJ
Herausgeber: btb Taschenbuch
veröffentlicht: 2005-11-14T23:00:00+00:00


Das Schwimmbad, das Nimit entdeckt hatte, lag etwa dreißig Autominuten vom Hotel entfernt. Man musste einen Berg überqueren, dessen bewaldeter Gipfel von zahllosen grauen Affen bevölkert war. In Reihen hockten sie an der Straße und starrten die vorbeifahrenden Wagen an, als wollten sie deren Schicksal ergründen.

Das Schwimmbecken lag auf einem weitläufigen, irgendwie mysteriösen Gelände, das von einer hohen Mauer umgeben war. Den Eingang bildete ein imposantes eisernes Tor. Nimit hielt an, kurbelte das Fenster herunter und rief dem Pförtner etwas zu, und der öffnete wortlos das Tor. Am Ende der Kiesauffahrt lag ein altes, einstöckiges Steingebäude und dahinter das langgestreckte, schmale Becken. Es war ein wenig abgeblättert, aber immerhin ein richtiges Schwimmbecken mit drei Fünfundzwanzig-Meter-Bahnen, von Rasenflächen und Bäumen umgeben. Das Wasser war klar, und niemand schwamm darin. Am Rand standen ein paar alte hölzerne Liegestühle, und es herrschte tiefe Stille. Nichts wies auf die Gegenwart von Menschen hin.

»Wie finden Sie das hier?« fragte Nimit.

»Wunderbar«, sagte Satsuki. »Ist das ein Sportverein oder so?«

»So etwas Ähnliches. Aber das Becken wird von fast niemandem mehr benutzt. Ich habe dafür gesorgt, dass Sie hier völlig ungestört schwimmen können, so lange Sie wollen.«

»Vielen Dank, Nimit. Sie sind wirklich ein Phänomen.«

»Sie erweisen mir zu viel Ehre«, sagte Nimit und verbeugte sich, ohne die Miene zu verziehen, im besten alten Stil.

»In dem kleinen Bungalow dort drüben finden Sie Umkleideräume, Toilette und Duschen. Alles steht Ihnen zur Verfügung. Ich werde beim Wagen warten. Wenn Sie etwas benötigen, rufen Sie mich bitte.«

Seit ihrer Jugend schwamm Satsuki sehr gern und ging ins Schwimmbad, wann immer sie Zeit fand. Sie hatte sogar bei einem Trainer Unterricht genommen. Beim Schwimmen gelang es ihr, alle unangenehmen Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen, und wenn sie länger schwamm, konnte sie sich von einem bestimmten Punkt an völlig frei fühlen, frei wie ein Vogel in der Luft. Dank der regelmäßigen Bewegung war sie bisher nie ernstlich krank gewesen und hatte keine bedeutsame körperliche Störung an sich wahrgenommen. Ihr Gewicht hatte sie auch gehalten. Natürlich war sie nun nicht mehr jung und ihr Körper nicht mehr so straff. Besonders an den Hüften gab es ein paar Pölsterchen, die sie offenbar auf keine Weise loswerden konnte. Aber sie hatte ja auch nicht vor, Model zu werden. Sie wirkte wahrscheinlich fünf Jahre jünger als sie war, und das war schon recht gut.

Um die Mittagszeit brachte Nimit ihr auf einem silbernen Tablett Eistee und Sandwiches an den Pool. Die Sandwiches waren hübsche kleine, mit Salat und Käse belegte Dreiecke.

»Haben Sie die gemacht?« fragte Satsuki erstaunt.

Bei dieser Frage veränderte sich Nimits Gesichtsausdruck. »Nein, Frau Doktor, ich bereite keine Speisen zu. Ich habe sie zubereiten lassen.«

Satsuki unterdrückte die Frage, von wem. Wie Rapaport vorausgesagt hatte, lief alles prächtig, wenn man den Mund hielt und Nimit entscheiden ließ. Die Sandwiches waren wirklich gut. Nach dem Essen ruhte sie ein wenig, hörte auf ihrem Walkman das Benny Goodman Sextett auf einer Kassette, die sie sich von Nimit lieh, und las in ihrem Buch. Am Nachmittag schwamm sie noch ein bisschen, und gegen drei ließ sie sich ins Hotel zurückbringen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.