Mord im Labyrinth by Robert van Gulik

Mord im Labyrinth by Robert van Gulik

Autor:Robert van Gulik [Gulik, Robert van]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-02-13T05:00:00+00:00


Wu Feng erblickt Weiße Orchidee im nächtlichen

Tempelgarten

Er schlug die Hände vors Gesicht. Dann ließ er die Arme wieder sinken.

«Ich stürzte ihr entgegen und stammelte, ich weiß nicht mehr was. Sie schrak zurück und flüsterte: ‹Sage nichts, geh weg, ich fürchte mich!› Ich fiel vor ihr auf die Knie und flehte sie an, Vertrauen zu mir zu haben.

Sie raffte ihr Kleid fester um sich zusammen und sprach leise: ‹Es ist mir befohlen worden, das Haus niemals zu verlassen, aber heute abend schlüpfte ich hinaus. Jetzt muß ich wieder heim, sonst werde ich umgebracht. Sage es niemandem. Ich werde wiederkommen!›

Dann zog eine Wolke über den Mond. In der Dunkelheit hörte ich sie leichtfüßig davongehen.

In jener Nacht habe ich den Tempel und seine ganze Umgebung stundenlang abgesucht. Aber es war keine Spur von ihr zu finden.»

Wu hielt inne. Richter Di ließ ihm eine weitere Tasse Tee reichen. Aber Wu schüttelte ungeduldig den Kopf und fuhr fort:

«Seit jenem unvergeßlichen Abend bin ich fast jede Nacht in den Tempel gegangen. Aber nie ist sie gekommen. Das bedeutet, daß man sie gefangenhält. Aber nun, da ihr heimlicher Besuch im Tempel bekanntgeworden ist, wird der, der sie gefangenhält, sie töten.»

Wu schluchzte laut auf.

Nach einer kurzen Pause sagte Richter Di:

«Jetzt sehen Sie also selber, wie gefährlich es ist, nicht die ganze Wahrheit zu sagen. Das Gericht wird alles tun, dieses Mädchen ausfindig zu machen. Inzwischen täten Sie gut daran, zu bekennen, wie Sie General Ding ermordet haben.»

Wu rief:

«Ich will alles bekennen, was sie wollen. Aber nicht jetzt. Ich flehe Euer Ehren an, Ihre Leute auszuschicken, um dieses Mädchen zu retten. Vielleicht ist es noch nicht zu spät.»

Richter Di zuckte die Achseln. Er machte den Konstablern ein Zeichen. Sie zogen Wu hoch und führten ihn wieder ins Gefängnis zurück.

«Student Ding», sprach der Richter, «diese Entwicklung kommt ganz unerwartet. Augenscheinlich hat sie nichts mit der Ermordung Ihres Vaters durch Wu zu tun. Aber offenbar kann der Angeklagte in seinem jetzigen Zustand nicht weiterverhört werden.

Ich unterbreche also jetzt die Behandlung Ihres Falles. Wir werden das Verhör zu gegebener Zeit wieder aufnehmen.»

Der Richter schlug mit seinem Hammer auf den Tisch. Dann stand er auf und verließ die Estrade.

Die Zuhörer schoben sich langsam aus dem Gerichtssaal, wobei sie die aufregende neue Entwicklung untereinander interessiert besprachen.

Während Richter Di sich umzog, befahl er Wachtmeister Hung, den Oberkonstabler Fang zu holen.

Ma Jung und Tao Gan setzten sich neben den Tisch des Richters auf Schemel.

Als der Oberkonstabler erschien, sagte Richter Di:

«Dies ist ein harter Schlag für Sie, Oberkonstabler. Unglücklicherweise habe ich Ihnen jenes Bild nicht eher gezeigt, aber ich konnte nicht annehmen, daß es irgend etwas mit Ihrer ältesten Tochter zu tun hätte. Immerhin ist es der erste Hinweis, wo sie sein kann.»

Damit griff der Richter zu seinem Rotpinsel und füllte drei Formulare aus.

«Jetzt werden Sie», fuhr er fort, «zwanzig bewaffnete Konstabler auswählen und sich mit ihnen sofort zu der Einsiedelei der Drei Schätze begeben. Ma Jung und Tao Gan werden Sie führen. Das sind meine besten zwei Leute, mit großer Erfahrung in solchen Dingen. Diese Anweisungen ermächtigen Sie, dort einzutreten und jedes Haus in jenem Viertel zu durchsuchen.



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