Mord auf Bornholm by Dan Turèll

Mord auf Bornholm by Dan Turèll

Autor:Dan Turèll [Turèll, Dan]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2015-11-11T16:00:00+00:00


2

Es vergingen ein paar Tage, bis ich Ehlers wiedersah. Am Tag danach hatten unbekannte – mutmaßlich arabische – Bombenleger versucht, die israelische Botschaft zu zerstören, und ich musste mich der Sache annehmen. Wieder einen Tag später hatten zwei Rockerbanden das Feuer aufeinander eröffnet, zwei der Rocker waren tot, je ein »Stierfladen« und eine »Galoppierende Gans«, und auch diese Affäre musste ich für das Bladet übernehmen.

Kopenhagen fing allmählich an, einer Großstadt zu ähneln, mit allem, was eine solche ausmacht – Hass, Gewalt und sinnlose Morde.

Es dauerte also eine Weile, bis ich Ehlers’ Geschichte zu hören bekam – oder, besser gesagt, ihren Schluss.

Wieder saßen wir im Stjernecafé und tranken ein Glas, bevor wir nach Hause gingen. Wieder senkte sich die Dunkelheit über die Stadt. Wieder stand Bob hinter seinem Tresen und behielt – anscheinend mit demonstrativer Apathie – alles und alle im Auge.

»Also«, sagte Ehlers, »da gab es wirklich ein Motiv, dem ich vorher noch nie begegnet bin.«

»Erzähl, erzähl.«

»Sammelmanie. Hast du schon einmal darüber nachgedacht?«

»Nee … Also …«

»Hast du nie Briefmarken gesammelt, zum Beispiel?«

»Doch, natürlich – als kleiner Junge. Und Autokennzeichen, wenn die alten Sardinendosen die Straße heruntergeknattert kamen. Und Bilder von Fußballspielern und Filmstars und …«

»Und all die Dinge, die wir alle gesammelt haben. Das ist ganz normal. Aber Dr. Bang – du kennst ihn …«

»Soweit ihn jemand kennen kann, ja.«

»Dr. Bang erzählt mir, dass es eine anerkannte Krankheit namens Sammelmanie gibt – ich habe den lateinischen Namen vergessen. Diese Menschen entwickeln schlicht und ergreifend eine krankhafte Sucht nach Dingen – den Dingen, die sie zu sammeln begonnen haben. Es ähnelt fast der sexuellen Begierde, wenn es sie überkommt – sagt Bang. Sie können einfach nicht leben, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen. Und das kann alles Mögliche sein. Hast du beispielsweise schon einmal bemerkt, wie viele Raritäten-Läden es bei uns im Viertel gibt?«

»Glaubst du, ich bin blind? Die sind doch überall.«

»Und wer, glaubst du, kauft ihre Sachen? Sammler! Es gibt Sammler von altem Nazi-Zeug, von Orden und von Heilsarmee-Abzeichen. Andere sammeln ausgestopfte Vögel, vergilbte Feldpostkarten aus dem letzten Weltkrieg, Autogramme bekannter Leute, abgegriffene Münzen, die nicht mehr im Umlauf sind – kurz gesagt: alles. Ich meine, wenn du erst einmal anfängst darüber nachzudenken …

Stell dir nur mal eine typische dänische Durchschnittsfamilie vor. Papa sammelt vielleicht kleine Souvenir-Schnapsfläschchen, wie man sie auf Flughäfen kaufen kann – das habe ich selbst einmal gemacht, keine Ahnung, warum, aber ich hatte einen ganzen Schrank voll davon. Mama sammelt, sagen wir mal, Einmachtöpfe, obwohl sie nie im Leben auf die Idee käme, selber etwas einzukochen, da sie doch das ganze Jahr über im Supermarkt alles bekommt. Der Sohn sammelt Punk-Platten und die Tochter Pferdehefte, oder anders herum. Alle – o. k., fast alle – sammeln irgendetwas.«

»Ich nicht.«

»Und was ist mit deinen kostbaren Jazz-Platten?«

»Das ist etwas ganz anderes.«

»Das ist etwas anderes – falls es etwas anderes ist –, weil du anders bist. Weil dich nicht die große Manie befallen hat. Jetzt erinnere ich mich an den Namen: Kupidität – der krankhafte Drang, irgendetwas Bestimmtes besitzen zu müssen.



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