Mein Leben mit Mozart by Eric-Emmanuel Schmitt
Autor:Eric-Emmanuel Schmitt [Schmitt, Eric-Emmanuel]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104013640
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-08-22T16:00:00+00:00
8
Così fan tutte
KV 588
Akt I
Szene 6
Terzettino
Fiordiligi, Dorabella, Don Alfonso
Soave sia il vento
Dieses Terzettino aus Così fan tutte, an dem ich mich ergötze, um mich von meiner Arbeit am Figaro zu erholen, eröffnet einen schnellen Zugang zu Deiner Kunst.
Es wird Nacht, es ist windig, in der Bucht von Neapel winken zwei Frauen und ein Mann einem Boot hinterher. Was sagen sie? »Sanft wehe der Wind, ruhig sei das Meer, und alle Elemente mögen unserem Verlangen gütig willfahren.« Gute und glückliche Reise.
In drei Minuten, der Zeit, in der das Boot zu einem winzigen Punkt am Horizont wird, kommt die Quintessenz des Abschieds zum Ausdruck. Abschied wovon? Abschied von den Liebhabern, die in den Krieg ziehen, Abschied vom gegenwärtigen Glück, Abschied vom Traum einer vollkommenen Verbindung, Abschied vielleicht von Unschuld und Aufrichtigkeit, denn von nun an werden in dieser Oper nur noch Fallen gestellt und falsche Tatsachen vorgetäuscht. Welcher Art dieser Abschied auch sei, etwas Wesentliches ist im Begriff, uns zu verlassen.
Die gedämpften Violinen beschwören das sanfte Rauschen des Windes in den Segeln herauf, das Plätschern der Wellen als Echo der verwundeten Herzen, dann heben sich die Stimmen empor, gemeinsam die der Frauen, allein die des Mannes. Strahlen eine sinnliche Zärtlichkeit aus, doch Unruhe schwingt mit, wird deutlich durch die quälende Wiederholung des vieldeutigen Wortes »Verlangen«. Ist es innere Zerrissenheit oder Beschwichtigung? Hinter der Schlichtheit des Wunsches steht ein brennendes Verlangen … die Spannung steigt, kommt in Wellen, sucht zu verebben … hier ist Angst im Spiel und wieder nicht … Die Musik, zwischen Beunruhigung und Gelassenheit, bringt die Sehnsucht nach Unbeschwertheit zum Ausdruck: Sie drückt die Hoffnung aus, daß die Welt so beständig fortbesteht, wie sie sich zeigt – die Paare vereint, das Meer sanft, der Wind gebändigt –, daß sich der Schein nicht als Trug erweist, die See nicht mehr tobt, der Wind nie erwacht und die Leidenschaften ihren Kurs beibehalten … Das Drama, das wahre Drama jenseits des vorläufigen Abschieds, kommt unterschwellig zum Ausdruck … es ist die Unbeständigkeit. Die von Meer und Wind erbetene Ruhe erbitten die Menschen auch von ihren Herzen. Sie erflehen Frieden, Schonung, ein Leben ohne Pein, etwas Unmögliches …
Zitternd, hingebungsvoll, schmeichelnd, schmachtend hoffen sich vereinend die Stimmen, werden leiser und leiser, sind nur noch ein Sehnen.
Was anderes bleibt ihnen übrig?
Am Ende des Gesangs hat die Nacht gesiegt.
All das und mehr hast Du in nur drei Minuten gesagt.
Keine Stimme muß in Tränen ausbrechen, um Kummer zu bekunden, im Gegenteil, Gefühl entsteht durch die trägen Dehnungen der stimmlichen Bögen. Keine Emphase, nur Zurückhaltung. Indem sie rein bleibt, verschleiert sich die Stimme mit Tränen, wie weit offene Augen sich verschleiern, während das Beben und das Erschaudern vom Orchester getragen werden …
Deine Stilisierung ist Sublimation. Du forderst von den Sängern mehr Timbre als Stimmkraft, eher Zartheit als Volumen, Präzision und zugleich Durchlässigkeit, eine Ausstrahlung, die den musikalischen Fluß nicht durch Wörter bricht; die menschliche Seele erscheint uns klar wie eine technische Zeichnung. Du machst die Dinge schöner, als sie sind; oder vielmehr sehen wir sie durch Dich und dank Deiner schöner.
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