Mein Kind ist hochsensibel - was tun? by Sellin Rolf
Autor:Sellin, Rolf [Sellin, Rolf]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Kösel-Verlag
veröffentlicht: 2016-12-07T16:00:00+00:00
Grenzen setzen und halten
In der Erziehung der Kinder spielen Grenzen generell eine große Rolle, bei hochsensiblen Kindern und Eltern sogar eine noch weit größere als bei anderen. Hochsensible Kinder sind gewöhnlich sehr viel offener für Einflüsse von außen, wie zum Beispiel durch Werbung geweckte Bedürfnisse oder Impulse von anderen. Sie neigen dazu, sich zu vergleichen, und sehnen sich oft danach, dazuzugehören. Weil sie sich selbst oft fremd fühlen, versuchen sie sich mehr anzupassen als nötig.
Hochsensiblen Erwachsenen fällt es nicht leicht, ihren Kindern Grenzen zu setzen, weil auch sie energetisch so offen und wenig zentriert sind. Gewissermaßen rutschen sie energetisch in ihr Kind hinüber, dem sie doch Grenzen setzen wollten, und erleben die Situation dann aus dessen Perspektive. Wenn sie nicht bei sich sind und ihre Rolle nicht ausfüllen, ist es ihnen nur schwer möglich, standzuhalten.
Viele hochsensible Eltern nehmen sich zwar vor, klare Grenzen zu setzen, doch dann läuft es ganz anders. Am Ende werden sie schwach und weichen an der Grenze zurück, obwohl ihr Entschluss doch so klar war. Sie erleben Niederlagen, wenn es ums längere Aufbleiben geht, um den Fernsehkonsum des Kindes, um Süßigkeiten oder um kostspielige Wünsche, zum Beispiel neue Turnschuhe, obwohl schon genügend andere im Schrank stehen. Sie selbst haben dadurch die Grenzen verwischt und das Grenzensetzen für das nächste Mal weiter erschwert, denn wieder einmal hat sich ihre Begrenzung als unbeständig erwiesen.
Das Kind macht die Erfahrung, dass es durch Beharrlichkeit jede Begrenzung verschieben oder gar auflösen kann. Zwar erringt es einen kurzfristigen Erfolg, aber es büßt auch etwas ein: Klarheit über sein Revier und seine eigenen Grenzen. Diese scheinen beliebig zu sein, mal liegen sie da, mal dort. Das macht alles noch komplizierter. Ständig gibt es Rangeleien, denn sie müssen ja jedes Mal von Neuem ausgehandelt werden.
Eltern, die sich von ihren Kindern erweichen lassen, die an ihren Grenzen nachgiebig werden, glauben oft, ihren Kindern damit etwas Gutes zu tun. Im ersten Moment fühlt es sich auch so an. Die Kinder scheinen glücklich und erleichtert, die Atmosphäre harmonisch und friedlich. Der Widerstand ist beseitigt. Doch auf Dauer sind weder Eltern noch Kinder glücklich. Die Kinder erleben, dass ihre Eltern schwach und sogar unterlegen sind. Die Kräfteverhältnisse in der Familie kehren sich damit um. Die Eltern haben wieder einmal nachgegeben, ihrem Nein – und damit auch ihrem Ja – ist keine Bedeutung beizumessen. Wenn sie schon bei der Frage des Taschengeldes oder des längeren Aufbleibens einknicken, wie sollen sie da in der Lage sein, die Kinder zu verteidigen und ihnen Rückhalt zu bieten, wenn es tatsächlich einmal darauf ankommen sollte? Dem Schutz nachgiebiger Eltern ist nicht zu trauen.
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