Mein fast perfektes Leben by Tropper Jonathan

Mein fast perfektes Leben by Tropper Jonathan

Autor:Tropper, Jonathan [Tropper, Jonathan]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-426-55507-1
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2012-02-23T05:00:00+00:00


Wir sitzen in der weichen, gewichtigen Stille, die nur großen, leeren Räumen eigen ist. Auf der Leinwand flimmern Werbespots und die durcheinandergewürfelten Namen von Filmstars.

»Also«, sagt Brooke, während sie Popcorn mampft.

»Also«, wiederhole ich.

»Also, nachdem wir uns kürzlich in der Schule kennengelernt hatten, dachte ich irgendwie, Sie würden mich vielleicht mal auf einen Drink einladen.«

Ich spucke den Schluck Cola, den ich im Mund habe, nicht aus und verschlucke mich auch nicht daran, wie sie es im Film immer tun, dabei ist es genau der richtige Moment dafür.

»Wirklich?«, antworte ich. »Das tut mir leid.«

»Ich hätte das jetzt nicht sagen sollen«, erklärt sie beschämt. »Das passiert mir immer wieder. Ich sage einfach, was ich denke, und schockiere damit die Leute. Ein Schock kann zwar manchmal heilsam sein, aber das ist natürlich keine Entschuldigung. Sie brauchen mir darauf nicht zu antworten.«

»Sie haben mir keine Frage gestellt.«

»Stimmt eigentlich.« Mit einem nachdenklichen Nicken greift sie erneut in meinen Popcornbecher. »Sprechen Sie folgenden Satz zu Ende«, sagt sie nach einer Weile. »Als ich Sie kennengelernt habe …«

»Bitte?«

»Ich gebe Ihnen sozusagen ein Stichwort. Mit meinen Kids mache ich das auch oft so. Auf diese Weise bringe ich sie dazu, über ihre Gefühle zu reden. Eine Frage zu beantworten ist manchmal schwer. Es fällt ihnen leichter, einen Satz zu Ende zu sprechen.«

»Sie behandeln mich also gerade wie einen gestörten Jugendlichen?«

Sie lächelt, ohne den Blick von der Leinwand abzuwenden. »Sollte ich das nicht?«

»Na ja, warum eigentlich nicht? Wie war die Frage noch mal?«

»Es war keine Frage, sondern ein unvollständiger Satz.«

»Ach ja, richtig. Könnten Sie den unvollständigen Satz bitte wiederholen?«

»Als ich Sie kennengelernt habe …«

»Als ich Sie kennengelernt habe, da habe ich überlegt, ob ich Sie auf einen Drink einladen soll.«

»Warum haben Sie es dann nicht getan?«

»Das ist ein bisschen kompliziert.«

»Das behaupten die Leute immer, dabei stimmt es so gut wie nie.«

»Da haben Sie wahrscheinlich recht.«

»Also, weiter«, sagt sie lächelnd. »Sprechen Sie den Satz zu Ende. Ich habe Sie nicht auf einen Drink eingeladen, weil …«

Wie sich herausstellt, hat Brooke so gut wie gar keine Hemmungen, zu sagen, was sie denkt, aber ich bin zurzeit ja genauso, und wenn zwei solche Leute aufeinandertreffen, ist das wie Boxen ohne Handschuhe.

»Ich war nie besonders gut darin, bei Frauen den ersten Schritt zu machen«, erkläre ich. »Dafür bin ich großartig im Reagieren. Wenn Sie weinend in meinem Büro auftauchen, bin ich ein Goldschatz. Aber von mir aus aktiv zu werden ist mir immer schwergefallen. Denn egal was ich in so einem Fall sage, Sie wissen von vornherein, dass ich es nur sage, um das Eis zu brechen, damit ich Sie auf einen Drink einladen und dann später – falls das mit dem Drink gut gelaufen ist – mit Ihnen ins Bett steigen kann. Im Grunde verwandle ich mich dadurch also aus einem netten, planlosen Jungen in einen schäbigen Schweinehund, der schon mit Ihnen ins Bett möchte, bevor er Sie überhaupt kennt.«

»Finden Sie nicht, dass Sie das Ganze ein bisschen zu sehr zerdenken?«

»Das ist genau mein Problem«, antworte ich. »Und die tragische Ironie daran ist, dass ich der Meinung war, das alles hinter mir zu haben.



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