Media Control by Noam Chomsky

Media Control by Noam Chomsky

Autor:Noam Chomsky [Chomsky, Noam]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Massenmedien, Manipulation, Autoindoktrinierung, Krieg, Presse, Machtpolitik, Geostrategie, Nicaragua, Propaganda
Herausgeber: Europa Verlag Hamburg
veröffentlicht: 2011-04-17T04:00:00+00:00


V. Über die Nützlichkeit von Interpretationen

Heuchelei, schrieb John Milton, ist »das einzige Übel, das allein Gott zu sehen vermag«. Dennoch muß dafür gesorgt werden, daß »weder Menschen noch Engel« es entdecken. Einige Jahre zuvor hatte Pascal das Problem anhand der Frage erörtert, »wie die Kasuisten die Widersprüche zwischen ihren Auffassungen einerseits sowie den Entscheidungen der Päpste, der Konzile und der Heiligen Schrift andererseits miteinander aussöhnen«. Eine Methode, so erklärt sein den Kasuisten angehörender Gesprächspartner, »besteht darin, eine Redewendung auf bestimmte Weise zu interpretieren«. Wenn z. B. das Evangelium die Menschen auffordert, »aus ihrem Überfluß Almosen zu geben« und die Aufgabe darin besteht, »die Wohlhabendsten von dieser Forderung zu dispensieren ... läßt sich die Sache leicht bewerkstelligen, indem man das Wort Überfluß so interpretiert, daß die Verpflichtung zum Almosen selten oder nie eingehalten werden muß«. Gelehrte beweisen, daß das, »was die Reichen zurücklegen, um ihre Lebensumstände oder die ihrer Verwandten zu verbessern, nicht als Überfluß bezeichnet werden kann; und infolgedessen läßt sich eine Sache wie Überfluß bei Reichen kaum finden, ja, noch nicht einmal bei Königen«. Heutzutage nennen wir es Steuerreform. Wir können mithin in aller Seelenruhe dem Evangelium folgen und fordern, daß »die Reichen Almosen geben sollen... ohne daß sie in der Praxis dazu verpflichtet sind ... Daran erkennt man die Nützlichkeit von Interpretationen«, schließt der Kasuist.186

Diese Methode wird seit George Orwell »Neusprech« genannt; allerdings äußern sich ihre Vertreter nicht mehr so freimütig wie Pascals Kasuist.

In den letzten zwei Kapiteln erörterte ich einige der in demokratischen Gesellschaften entwickelten Formen der Gedankenkontrolle. Am wirksamsten ist die Begrenzung des Denkbaren: Die kontroverse Diskussion wird geduldet, ja, gefördert, wenn sie bestimmte Reglements nicht verletzt. Möglich sind aber auch weniger raffinierte Vorgehensweisen wie etwa die bereits erwähnte »Interpretation einer Redewendung«. So wird aus Aggression und Staatsterror in der Dritten Welt die »Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten«; und Demokratie ist dann hergestellt, wenn sich, so Winston Churchill, die Regierung in den Händen der »Reichen, die friedlich in ihren Behausungen leben«, befindet.187 Innenpolitisch muß die Vorherrschaft der Privilegierten gesichert sein und darf die Bevölkerung nur die Rolle eines passiven Beobachters spielen, während in den von uns abhängigen Staaten das Regime der uns günstig gesonnenen Kräfte notfalls mit strengen Maßnahmen vor Bedrohungen zu bewahren ist. »Das Verlangen, eine Demokratie amerikanischen Stils in der ganzen Welt verbreitet zu sehen, ist schon immer das Leitmotiv der US-Außenpolitik gewesen.« Diese bereits zitierte Äußerung eines Korrespondenten der New York Times ist, wenn man sie nur richtig interpretiert, durchaus zutreffend.188

Demzufolge ist es auch kein Widerspruch, wenn wir Demokratie und Unabhängigkeit für Südvietnam verlangen und dabei das Land zerstören, um zuerst die Nationale Befreiungsfront und dann die politisch organisierten Buddhisten auszulöschen, bevor wir »freie Wahlen« abhalten lassen. Daß wir statt auf Politik lieber auf militärische Machtausübung setzten, ist ganz natürlich, denn wir hatten erkannt, daß die Nationale Befreiungsfront die »einzige politische Partei mit einer Massenbasis in Südvietnam« war, mit der keine andere Kraft, »ausgenommen vielleicht die Buddhisten, sich zu messen wagt«.189 Aus diesem Grund konnte man auch die freien Wahlen in Laos unterminieren,



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