Der Schwarze Tod in Europa by Bergdolt Klaus

Der Schwarze Tod in Europa by Bergdolt Klaus

Autor:Bergdolt, Klaus [Bergdolt, Klaus]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406628856
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


21. Das Beispiel einer deutschen Stadt: Würzburg

Bis zu den Pogromen des berüchtigten Rindfleisch-Aufstandes von 1298[1] gehörte die Würzburger Judengemeinde zu den größten und wohlhabendsten Deutschlands.[2] Doch auch nach dieser Katastrophe, der etwa 900 Menschen zum Opfer fielen, darunter zahlreiche Flüchtlinge aus anderen Orten, blieben die Juden eine wichtige Bevölkerungsgruppe. Aus mindestens 13 anderen Städten wanderten zur Zeit der erwähnten Armleder-Verfolgung[3] Glaubensbrüder in die Stadt ein. Wahrscheinlich verhinderte 1336 das (wohl zutreffende) Gerücht von der Plünderung des Judenviertels durch die Bürgerschaft ein Massaker durch aus Kitzingen heranziehende Haufen.[4] Das Judenquartier umfaßte zwei Straßenzüge in der Nähe des Rathauses (ein abgeschlossenes Viertel hatte sich bis 1348 noch nicht ausgebildet), grenzte an einen Tümpel (den Rigol-See) und lief in den Vierteln der Christen aus. Stuart Jenks schätzt den jüdischen Bevölkerungsanteil unmittelbar nach den Ausschreitungen von 1349 auf zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent der Gesamtbevölkerung, die um 1400 etwa 4000 Menschen umfaßte.[5] Daß die jüdische Gemeinde somit etwa 800 bis 1000 Mitglieder zählte, erklärt sich vor allem durch die traditionelle Rolle der Stadt als Zufluchtsort für anderwärts vertriebene Juden. Natürlich blieben sie auch in Würzburg „Kammerknechte“ des Kaisers, d.h. unter dessen besonderem Schutz, freilich hierfür auch – besonders seit dem frühen 14. Jahrhundert – zu einschneidenden Abgaben verpflichtet.[6]

Wichtigste Erwerbsquelle der Würzburger Juden waren um diese Zeit sicher Darlehensgeschäfte, doch leuchtet ein, daß nicht jeder vierte Würzburger vom Zinsgeschäft leben konnte. Viele Juden waren Kleinhändler, Hausierer, Schneider oder sonstige kleine Handwerker.[7] Aus den von Jenks untersuchten Akten des Würzburger Landesgerichts aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die Zahlungsverweigerungen oder die Zahlungsunfähigkeit christlicher Schuldner bei jüdischen Gläubigern betrafen, geht im übrigen hervor, daß das Kreditgeschäft keineswegs auf Juden beschränkt war. Im Gegenteil, die jüdischen Geldverleiher standen in harter Konkurrenz mit christlichen Kreditgebern. Man pokerte und feilschte mit Zinsangeboten, die sich zwischen neun und zwölf Prozent bewegten, d.h. im Normalfall erheblich unter den in der kaiserlichen Höchstzinsverordnung vorgeschriebenen 43 Prozent lagen.[8]

Die Schuldner kamen in Würzburg aus den bessergestellten Schichten. Zumindest ist eine immer wieder kolportierte Ausbeutung des „Proletariats“ durch jüdische Geldverleiher hier nicht nachweisbar. Die meisten von Juden verklagten Christen gehörten „zum Landadel oder zur Bürokratie“, der „typische“ Judenschuldner war sogar Edelknecht oder Ritter.[9] Auch Lehensträger, Ministeriale, Verwaltungsbeamte, Patrizier, Ratsmitglieder, Bürger, Handwerker und Landwirte mit Grundbesitz borgten bei den Juden. Man kann davon ausgehen, daß „in der Regel“ auch nicht aus Not geliehen wurde, sondern um eine gewisse luxuriöse Lebenshaltung zu ermöglichen.[10] Ob diese soziale Zusammensetzung der Geldnehmer auch für andere Städte repräsentativ war, muß offenbleiben. Allerdings weisen erhaltene Schuldurkunden in Frankfurt aus dem 14. Jahrhundert in dieselbe Richtung.[11]

Soziale Ungerechtigkeiten bzw. eine „Ausbeutung“ der städtischen Massen durch jüdische Geldleiher kommen so kaum als Ursache für die Pogrome zur Zeit der großen Pest in Frage. Die Juden mußten zwar versuchen, die an den Kaiser und die städtische Obrigkeit fällige Kopf- bzw. „Schutzsteuer“ bei ihrer Kundschaft einzuholen. Dies dürfte in Würzburg aber eher den Zorn gehobener Schichten hervorgerufen haben, die, wie im vorigen Kapitel gezeigt wurde, erheblich judenfeindlicher eingestellt waren, als man lange Zeit annahm.[12] Andererseits ergibt sich kein



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