Martinez, A. Lee by Fred

Martinez, A. Lee by Fred

Autor:Fred [Fred]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-17T20:09:04.233000+00:00


»Nichts.« Ich flüsterte, um die Lüge abzumildern.

Das Pferd trottete hinter mich und stupste mich an die Schulter. »Es ist nicht deine Schuld. Ich weiß, du kannst nicht mehr für deine Gefühle als er. Deshalb geschieht es auch. Glaubst du, du bist die erste Versuchung, die uns begegnet ist? Es gab andere. Mehr als du zählen kannst. Wyst hat mehr als genug hübsche Verehrerinnen abbekommen.

•146-Warum auch nicht? Er ist rechtschaffen und tapfer, gut aussehend und auch galant, also alles, was sich eine Frau wünschen mag. Aber all die anderen liebten den Ritter und nicht den Mann. Du bist da anders. Du siehst ihn, wie niemand zuvor es tat, und er sieht, dass du es siehst. Wie kann man jemanden nicht lieben, der einen dafür liebt, wer man wirklich ist? Vor allem jemand, der schöner ist als all die anderen zusammen.«

Ich streckte die Hand aus und streichelte das Pferd zwischen den Augen. »Ich wollte nicht, dass das geschieht.«

»Er auch nicht, aber es ist geschehen. Und es wird geschehen.«

»Vielleicht nicht.«

Es streckte seine Zunge heraus. »Ich bin schon sehr lange sein enger Gefährte. Ich kenne Wyst besser als alle anderen. Manchmal sogar besser, als er sich selbst kennt. Er ist jetzt draußen in den Feldern, meditiert und ringt damit, seinen Geist von diesem Verlangen zu reinigen. Sie lehren weiße Ritter, ihre niederen Wünsche zu unterdrücken. Aber selbst ein großer Ritter wie Wyst kann seine Liebe nicht unterdrücken.«

Meine Überraschung war so groß, dass selbst eine lebenslange Hexenschulung sie nicht hätte verbergen können. Mit offenem Mund trat ich von dem Pferd zurück.

»Er liebt mich?«

Das Pferd schüttelte den Kopf. Seine Lippen verzogen sich zu einem bitteren Grinsen.

»Ziemlich. Mehr als selbst er es ahnt.«

Ich kämpfte damit, meine Aufregung zu zügeln und

•146-schaffte es auch größtenteils. Die einzige Spur meiner Freude zeigte sich als sanftes Lächeln und in spontan zu meinen Füßen sprießenden Sonnenblumen.

»Liebst du ihn?«, fragte das Pferd.

Ich antworte ohne Zögern. »Ja.« Ein Paar silberner Schmetterlinge materialisierte in meiner Handfläche. Ich entließ sie mit einer Bewegung meiner Hand in die Luft.

»Das war's dann«, seufzte das Pferd. »Er ist verloren.«

»Ich würde ihm aber nie Schaden zufügen.«

»Es gibt wesentlich mehr Verhängnisse als nur den Tod. Ein weißer Ritter, der von der Liebe berührt wird, ist ruiniert. Danach kann er nicht mehr zu einem Leben der Tugend zurückkehren.«

»Du verstehst mich nicht. Ich bin verflucht. Ich kann ihn nicht lieben, nicht, wie eine sterbliche Frau einen Mann liebt.«

Das Pferd knabberte gereizt am hohen Gras. Es kaute einen Mundvoll und spuckte es dann wieder aus. »Du kannst. Und du tust es.«

Ich wollte widersprechen. Mehr als alles wollte ich das Pferd in dieser Meinung korrigieren, aber alles, was ich sagen konnte, wäre eine Lüge gewesen. Da keiner von uns eine Unwahrheit geglaubt hätte, die ich vorbringen konnte, machte ich mir gar nicht erst die Mühe. Stattdessen griff ich eine Äußerung auf, die ich vorher nicht bemerkt hatte.

»Schön. Du sagtest, ich sei schön?«

Das Pferd schlang noch mehr Gras hinunter und sprach mit vollem Mund. »Habe ich das? Ich kann mich nicht erinnern.«

•147-»Ja, das hast du. Schöner als alle von Wysts bisherigen Verehrerinnen zusammen, genau das hast du gesagt.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.