Martha im Gepaeck by Ulrike Herwig

Martha im Gepaeck by Ulrike Herwig

Autor:Ulrike Herwig
Die sprache: de
Format: mobi
Tags: Roman
ISBN: 9783843700801
Herausgeber: Ullstein ebook
veröffentlicht: 2010-12-31T23:00:00+00:00


17 Der große Lysander entpuppte sich aus der Nähe betrachtet als kleiner muskulöser Mann in Marthas Alter. Wie hundert sah er jedenfalls nicht mehr aus. Bart, Langhaarperücke und Silbermantel waren verschwunden, stattdessen waren ein gestreiftes Polohemd und eine Glatze zum Vorschein gekommen. Ein bisschen erinnerte er Karen jetzt an Picasso.

»Mensch, ist das heiß.« Lysander rieb sich das Gesicht gerade mit einem weißen Tuch ab. »Aber was für ein Tag. Was für ein Tag. Dass ich meine gute Dixie noch mal wiedersehe, das hätte ich im Leben nicht geglaubt.« Er schüttelte fassungslos den Kopf. »Und sieht sie nicht aus wie immer? Kaum zu glauben, oder?«

Karen gab einen undefinierbaren Laut der Zustimmung von sich. Sie hatte keine Ahnung, wovon dieser Mensch redete. Sie war nur froh, dass Martha lebte und weder zersägt noch in irgendeiner Spielhölle leblos aufgefunden worden war. Nach dem spektakulären Ende der Show waren sie sofort zum Bühnenausgang geeilt, den schottischen Polizisten im Schlepptau, der ein Autogramm von Martha haben wollte. Gemeinsam hatten sie Martha ungläubig angestaunt. Sie stand da oben und winkte und warf Handküsse in die Menge. Ganz der Profi. »Die macht das nicht zum ersten Mal, da wette ich mit dir«, hatte Karen zu Bernd gesagt. »Hast du das von ihr gewusst?«

»Woher denn? Aber ist das nicht der Wahnsinn? Und wir sind mit ihr verwandt.« Bernd hatte die Arme geschwenkt, als sei er tatsächlich auf einem Rockkonzert, und sie dann einfach stehen gelassen, um zu Martha hoch auf die Bühne zu klettern.

Jetzt saßen sie alle auf Klappstühlen in einem abgegrenzten Bereich hinter der Bühne. Es war angenehm schattig hier. Jemand hatte Karen ein Glas Sekt in die Hand gedrückt. Sie hatte es auf ex runtergekippt.

»Mein Dickerchen«, sagte Martha gerade liebevoll und tätschelte Lysander die Hand. »Du siehst auch noch aus wie früher. Nur ein paar Haare fehlen dir. Aber sonst – immer noch der fesche alte Lysander. Wie viele Jungfrauen hast du denn im Laufe der Jahre zerschreddert?«

»Unzählige. Na, wann haben wir uns zuletzt gesehen?« Der große Lysander strich sich nachdenklich über die Glatze.

»Woher kennt ihr euch denn?«, fragte Karen dazwischen. Vielleicht konnte sie hier mal jemand aufklären? Fanden die anderen, also Bernd, es denn in keinster Weise verwunderlich, dass Karens Großtante, der sie neulich noch Augentropfen aus der Apotheke am Dom geholt hatte, sich jetzt als Bühnenstar entpuppte und zersägen ließ?

»1955 im London Palladium. Da hab ich Dixie kennengelernt. Sie hatte einen grauenvollen Akzent, war gerade aus Deutschland angekommen. Deswegen hat sie auch am Anfang kaum was gesagt. Aber dann. Aber dann. Dann konnte man sie kaum noch dazu bringen, mal den Mund zu halten. Alles wusste sie besser.« Lysander lachte kollernd.

»Und du warst ein Jungspund. Fünf Jahre jünger als ich, aber hast dir eingebildet, dass du der Größte bist mit deinen komischen Kartentricks.«

Lysander winkte ab. »Das ist Vergangenheit. Mit Dixie, der zersägten Jungfrau, ging’s ja dann richtig aufwärts. Bis sie mir wieder weggelaufen ist. Wohin eigentlich? Das hast du mir nie verraten. Auf jeden Fall hast du irgendwo noch prima Englisch gelernt. Sogar mit schottischem Einschlag, wenn mich nicht alles täuscht.



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