Maigret - 51 - Maigret auf Reisen by Simenon Georges

Maigret - 51 - Maigret auf Reisen by Simenon Georges

Autor:Simenon, Georges [Georges, Simenon]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
veröffentlicht: 2014-05-29T04:00:00+00:00


FÜNFTES KAPITEL

Er schlief schlecht. Die ganze Nacht blieb ihm bewußt, wo er war. Er sah das Hotel mit den zweihundert offenen Fenstern vor sich, die Laternen, die den Stadtpark mit dem bläulich schimmernden Rasen umsäumten, das altmodische Kasino, in das er nach dem Essen alte Damen in Toiletten aus einer anderen Zeit hatte gehen sehen, das träge Meer, das alle zwölf Sekunden – er hatte es gezählt und wieder gezählt, wie andere Schafe zählen – die Uferfelsen mit weißem Schaum bedeckte. Autos hielten an und fuhren wieder ab, Türen schlugen, und man hörte so deutlich Stimmen, daß man das Gefühl hatte, indiskret zu sein. Auch Omnibusse kamen immer wieder lärmend angefahren, die Spieler in hellen Scharen brachten und andere abholten, und gegenüber auf der Terrasse des Café de Paris erklang Musik. Wenn wie durch ein Wunder eine kurze Stille eintrat, vernahm man im Hintergrund, wie die Flöte in einem Orchester, das leise anachronistische Geräusch einer Droschke.

Er hatte sein Fenster offengelassen, weil es im Zimmer unerträglich heiß war. Aber da er keinerlei Gepäck mitgenommen und sich ohne Pyjama ins Bett gelegt hatte, fror ihn dann doch, und er schloß das Fenster mit einem verdrießlichen Blick auf die Lichter des Sporting dort unten am Ende des Strandes, wo Joseph van Meulen, der Papa, wie ihn die kleine Gräfin nannte, mit zwanzig Gästen an einem Tisch saß.

Da er verstimmt war, sah er die Leute jetzt in einem anderen Licht, und es ärgerte ihn, er fühlte sich fast gedemütigt bei dem Gedanken, daß er dem belgischen Finanzmann wie ein braves Kind zugehört und kaum einmal gewagt hatte, ihn zu unterbrechen.

War er im Grunde nicht geschmeichelt gewesen, daß ein so feiner Mann sich ihm gegenüber freundschaftlich vertraulich gezeigt hatte? Im Gegensatz zu John T. Arnold, dem kleinen dicken Engländer mit seiner aufreizenden Sicherheit, hatte van Meulen nicht so getan, als ob er ihm einen Vortrag über die Bräuche in einem bestimmten Milieu halten wollte, ja, er hatte sich sogar erfreut darüber gezeigt, daß Maigret sich persönlich herbemüht hatte.

»Sie, Sie verstehen mich«, schien er in jedem Augenblick zu sagen.

Hatte Maigret sich nicht foppen lassen? Papa … die kleine Gräfin … David … und alle die anderen Vornamen, die sie benutzten, ohne sich die Mühe zu machen, etwas genauer zu erklären, als ob die ganze Welt darüber im Bilde sein müßte …

Er dämmerte ein wenig ein, wälzte sich im Bett und sah dann plötzlich wieder den anderen, den Oberst, nackt in der Badewanne und dann den ebenfalls nackten Belgier, den der Masseur mit dem Boxergesicht knetete.

Waren diese Burschen nicht zu kultiviert, um über jeden Verdacht erhaben zu sein?

»Jeder Mensch ist imstande zu töten, vorausgesetzt, daß er ein ausreichendes Motiv hat und sicher ist, daß er nicht gefaßt wird …«

Van Meulen indessen hielt die Leidenschaft nicht für einen ausreichenden Grund. Hatte er nicht leise durchblicken lassen, daß für manche die Leidenschaft fast unvorstellbar ist?

»… in unserem Alter … eine hübsche junge Frau, die ihre Lehre durchgemacht hat …«

Die kleine Gräfin rief den Arzt, wimmerte, ließ sich in das



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