Listige Brut (German Edition) by Tom Bale

Autor:Tom Bale [Bale, Tom]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9781503949355
Herausgeber: Edition M
veröffentlicht: 2018-05-21T22:00:00+00:00

41

Sie hatten später als geplant gegessen, weil Rob und Wendy in den Pub verschwunden waren. »Danke für die Einladung«, murmelte Evan sarkastisch, aber Josh sagte: »Gnadenfrist für den ersten Abend – verdienen wir auch, was, Kleine?«

Georgia zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Was für eine ›Gnadenfrist‹?«

Beide bemühten sich ganz besonders, nett zu ihr zu sein, was sie beunruhigte – bei Evan wegen all der grässlichen Ereignisse dieser Woche; bei Josh, weil niemand so entspannt sein konnte, wenn er solchen Ärger am Hals hatte.

Georgia hatte beschlossen, die ganze Urlaubszeit über die sozialen Netzwerke zu meiden, damit sie nicht erfuhr, was in BitchWorld über sie geschrieben wurde – und dann konnte es ihr auch egal sein. Blieben noch die Seltsamkeit des heutigen Tages und die Frau, die die gleiche gewesen zu sein schien wie im Café. Letzten Endes schloss sie sich der Erklärung ihres Vaters an, dass sie sich alle paranoid und gestresst fühlten, was viel Sinn ergab.

Mum und er waren in einer komischen Stimmung zurückgekommen. Georgia war bei der ersten sich bietenden Gelegenheit vom Esstisch geflohen, wurde aber sofort von Wendy zurückgepfiffen: »Wohin gehst du?«

»Was holen«, log sie.

»Okay. Aber komm bald wieder runter. Wir wollen den Abend zusammen verbringen.«

Georgia fühlte Übelkeit in ihrem Magen und irgendwie wusste sie es: Sie trennen sich.

Sie hatte schon die vergangenen Monate die Zeichen gesehen und ging davon aus, dass es entweder auf eine Scheidung oder eine tödliche Krankheit hinauslief, was sie vor ihr verheimlichten. Aber bei einer Krankheit würde es Arztbesuche geben – und Rob und Wendy wären besser miteinander ausgekommen, hätten ihre Differenzen beiseitegeschoben für die Zeit, die ihnen noch blieb.

Die Tränen kamen wie eine Flut; sie warf sich aufs Bett, vergrub ihr Gesicht in der Decke. Ihr altes Leben war genauso gewesen – beängstigend, verwirrend, unsicher. Dieses neue Leben sollte eigentlich besser sein.

Ihr wurde heiß, sie konnte nicht atmen. Als sie sich auf den Rücken drehte, blitzte kurz ein Licht im Fenster auf. Es mussten von den Scheinwerfern eines Autos stammen.

Sie stand auf und trat ans Fenster, war verwirrt davon, dass die Lichter nun verschwunden waren. War ein Auto in die Straße eingebogen und rückwärts wieder rausgefahren?

Sie öffnete das Fenster und hörte sofort ein Motorengeräusch, leise und schnurrend. Das dunkle Rechteck des Daches war zu erkennen, wie es kurz in einer Lücke zwischen den Hecken auftauchte. Es schien langsamer zu werden – vielleicht hatte es deswegen die Lichter ausgeschaltet.

Aber das einzige Haus in der Nähe war ihres.

Also musste das Ziel sein …

»Hier«, flüsterte Georgia.

Evan und Josh spülten ab. Wendy und ihre Verwandten waren sich einig gewesen, dass sie hier keine Geschirrspülmaschine aufstellen wollten, weil das gemeinsame Erledigen alltäglicher Aufgaben ihnen helfen sollte, ihre Auszeit zu genießen. Josh fand das unlogisch und Evan sprach sich ebenfalls wortreich dagegen aus, auch wenn er es im Stillen genauso sah.

Er ließ ein paar Teller ins heiße Wasser gleiten. Josh musste abtrocknen und ging dabei methodisch, aber schmerzlich langsam vor. Sie konnten das Murmeln von Stimmen aus dem Wohnzimmer hören. »Große Familienkonferenz steht an«, hatte Josh vorhin schon prophezeit.

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