Lichtenstein by Hauff Wilhelm

Lichtenstein by Hauff Wilhelm

Autor:Hauff, Wilhelm
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


VIII

–Und der Graf, gerührt von solches

Hohen Opfers hohem Geiste

Bei der Freude süßer Regung,

Kann der Freundschaft mildem Taue

Der durchs Herz ihm, der durchs Auge

Schon ihm schleicht, nicht widerstehen.

P. Conz

Als die beiden Männer in dem weiten Saale von Lichtenstein allein waren, trat der Alte dicht vor Georg hin, und schaute ihn an, als messe er prüfend seine Züge. Ein Strahl von Begeisterung und Freude drang aus seinen Augen, die Melancholie seiner Stirne war verschwunden, er war heiter, fröhlich sogar, wie der Vater, der einen Sohn empfängt, der von langen Reisen zurückkehrt. Endlich stahl sich eine Träne aus seinem glänzenden Auge, aber es war eine Träne der Freude, denn er zog den überraschten Jüngling an sein Herz.

»Ich pflege nicht weich zu sein«, sprach er nach dieser feierlichen Umarmung zu Georg, »aber solche Augenblicke überwinden die Natur, denn sie sind selten. Darf ich denn wirklich meinen alten Augen trauen? trügen die Züge dieses Briefes nicht? ist dieses Siegel echt und darf ich ihm glauben? doch – was zweifle ich! hat nicht die Natur Euch ihr Siegel auf die freie Stirne gedrückt? sind die Züge nicht echt, die sie auf den offenen Brief Eures Gesichtes geschrieben? nein, Ihr könnet nicht täuschen – die Sache meines unglücklichen Herrn hat einen Freund gefunden!«

»Wenn Ihr die Sache des vertriebenen Herzogs meinet, so habt Ihr recht gesehen, sie hat einen warmen Anhänger gefunden. Der Ruf bezeichnete mir längst den Herrn von Lichtenstein, als einen treuen Freund des Herzogs, und ich wäre vielleicht auch ohne den Rat jenes unglücklichen Mannes, der mich zu Euch schickte, gekommen, Euch zu besuchen.«

»Setzet Euch zu mir, junger Freund«, sagte der Alte, dessen Augen immer noch mit Liebe auf dem Jüngling zu ruhen schienen; »setzet Euch hier und höret was ich sage. Ich liebe es sonst nicht, wenn die Leute ihre Farbe ändern, ich habe in meinem langen Leben gelernt, daß man die Überzeugung eines jeden ehren müsse, und daß ein Mann, wenn er nur sonst reine Absichten hat, nicht gerade deswegen zu verdammen sei, weil er anderer Meinung ist, als wir. Aber wenn man seine Farbe mit so uneigennützigen Absichten ändert wie Ihr, Georg von Sturmfeder, wenn man dem Glück den Rücken kehrt, um sich an das Unglück anzuschließen, da hat die Änderung großen Wert, denn sie trägt das Gepräge einer edlen Tat an der Stirne.«

Georg errötete über sich selbst, als er hörte, wie der Lichtensteiner seine uneigennützigen Absichten pries. War es denn nicht auch die schöne Tochter, was ihn zu der Fahne des Vaters führte? Und mußte er nicht in der Achtung dieses Mannes sinken, wenn über kurz oder lange dieses Motiv seines Übertrittes ans Licht kam? »Ihr seid zu gütig«, antwortete er; »die Absichten eines Menschen liegen oft tiefer verborgen, als man auf den ersten Anblick glaubt; seid versichert, daß mein Übertritt zu Eurer Sache zwar zum Teil von dem empörten Gefühl des Rechtes geleitet wurde; doch könnte es auch einen irdischeren Beweggrund geben, Herr Ritter; und ich möchte nicht, daß Ihr mich für zu gut hieltet, es würde mir um so weher tun, wenn Ihr nachher ungünstiger von mir urteiltet.



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