Lebensbeendende Handlungen by Franz-Josef Bormann

Lebensbeendende Handlungen by Franz-Josef Bormann

Autor:Franz-Josef Bormann
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2017-03-15T00:00:00+00:00


3Ethische und rechtliche Bewertung

Angeregt durch eine Falldarstellung in der Zeitschrift Ethik in der Medizin wird in der sog. Sterbehilfedebatte die Frage diskutiert, ob die FVNF als eine Form des Suizids zu bewerten und die Begleitung eines Menschen, der sich zum Sterbefasten entscheidet, nicht auch als eine Form der Suizidbeihilfe zu verstehen ist1186. Dagegen schreibt Bickhardt: „Der Suizident legt den genauen Zeitpunkt seines Todes fest und erlebt in der Regel sein Sterben nicht. Beim FVNF kann nur der Beginn festgelegt werden, das Sterben wird vom Betroffenen und seinen Begleitern durchlebt und die Dauer des Sterbens ist ungewiss. Er überlässt damit dem Unverfügbaren Raum. Der Umgang mit dieser Frage berührt ethische, juristische, medizinische, berufsethische und weltanschauliche Aspekte.“1187

Die unterschiedlichen Positionen zur rechtlichen Einordnung und ethischen Bewertung des FVNF und seiner ärztlichen Begleitung werden in den Publikationen von Nina Luisa Hoekstra1188 und Alfred Simon1189 dargestellt, die auch eine Befragung von Ärztinnen und Ärzten der DGP durchführten. So wird diskutiert, FVNF als „passiven“ Suizid durch das bewusste Beenden lebensverlängernder Maßnahmen zu betrachten1190, wobei sich diese Ansicht eher mit einer biologischen Definition des Suizids deckt, wie sie aus psychiatrischer Sicht zu finden ist, nämlich dass jede willentliche Handlung oder Unterlassung einer lebensverlängernden Maßnahme mit der Absicht, das eigene Leben zu beenden, als Selbsttötung definiert wird1191. Konsequenterweise wäre jede Entscheidung eines Patienten, sich gegen eine lebensverlängernde Maßnahme auszusprechen, um den Tod herbeizuführen oder zuzulassen, als Ausdruck von Suizidalität zu bewerten, was die personelle und palliative Begleitung eines Menschen, der sich entschieden hat, auf weitere lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten, sehr erschweren würde. Andere betrachten den FVNF als eine Form der willentlichen Herbeiführung des natürlichen Todes im Rahmen der Selbstlimitierung des Lebenswillens und der Lebenskraft1192, die vom ärztlich assistierten Suizid, der Euthanasie und anderen Formen der selbstbestimmten Herbeiführung des Todes abgegrenzt werden kann1193. So findet beim FVNF – anders als beim Suizid – keine Einwirkung von außen statt, der Tod tritt nicht durch die Handlung direkt ein, und die Entscheidung des Patienten ist in den ersten Tagen reversibel. Die personelle und im Besonderen auch ärztliche Begleitung beim FVNF stellt demnach einen Bestandteil der palliativen Versorgung im Rahmen der Therapiezieländerung dar. Würde der Entschluss des Patienten beim FVNF hingegen als Selbsttötung aufgefasst, so müsste die Begleitung des Arztes unter dem Aspekt der ärztlichen Suizidbeihilfe diskutiert werden. Konsequenterweise hat auch der Vorstand der DGP in einer Anfang des Jahres 2014 veröffentlichten Stellungnahme die Beratung und angemessene Begleitung des FVNF als eine palliativmedizinische Aufgabe bzw. Herausforderung benannt, wobei vom Vorstand der FVNF in speziellen Situationen auch als mögliche Alternative zur abgelehnten ärztlichen Suizidhilfe angesehen wird1194. Die Arbeitsgruppe Ethik am Lebensende in der Akademie für Ethik in der Medizin betont, dass für die Hilfe beim FVNF dieselben Entscheidungskriterien anzuwenden sind, die auch für die ärztliche Beihilfe zum Suizid im Einzelfall erarbeitet wurden1195.



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