Landpartie by Seibold Jürgen

Landpartie by Seibold Jürgen

Autor:Seibold, Jürgen
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492967907
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2014-11-11T05:00:00+00:00


Samstag, 11. Oktober

Hansen hatte bis Samstag früh nicht viel zu tun.

Die Straße zum Jochpass hinauf war seit Freitag ab dreizehn Uhr nicht mehr befahrbar gewesen, weil die Strecke für die Gleichmäßigkeitsprüfung vorbereitet wurde. Hansen hatte die Zeit genutzt, den ganzen Rummel und die Personen, die daran unterschiedlich großen Anteil hatten, möglichst genau zu beobachten. Das Ergebnis teilte er den anderen am Samstagmorgen beim Frühstück mit.

»Wenn wir annehmen, dass Schlitter tatsächlich erpresst wird, sehe ich in Hindelang bisher niemanden, der sich als Verdächtiger anbietet.«

»Glaubst du ihm denn nicht?«, fragte Horst Murnauer mit hochgezogenen Augenbrauen. »Ich kenne Karl schon seit vielen Jahren, und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er sich das alles nur ausgedacht

hat. Er müsste doch befürchten, dass ein Journalist Wind von der Sache bekommt und über die Erpressung und vor allem über das für dieses Wochenende angedrohte Attentat berichtet – und damit würde er ausgerechnet das Jochpass Memorial gefährden, das ihm so sehr am Herzen liegt.«

»Da hast du natürlich auch wieder recht«, meinte Hansen und strich nachdenklich Butter auf eine Brötchenhälfte. Dann wandte er sich an Hanna und Haffmeyer.

»Und euch ist auch nichts aufgefallen, was mit der Erpressung zu tun haben könnte?«

»Nein«, sagte Hanna. »Schlitter scheint überall sehr beliebt zu sein, und alle – ob Teilnehmer oder Leute aus dem Veranstalterteam – loben ihn und sein Engagement in den höchsten Tönen.«

»Alle bis auf Rudi Groß, diesen Angeber«, brummte Haffmeyer. »Der meckert an allem herum und spielt sich auf, als wäre er hier der Allerwichtigste. Bei dem habe ich den Eindruck, dass er es keinem anderen gönnt, im Mittelpunkt zu stehen. Der könnte natürlich neidisch sein auf Schlitter, auch wenn er immer ganz freundlich tut, wenn er direkt mit ihm spricht. Aber eine Erpressung? Mag sein, dass er Schlitter den Gewinn in diesem Fernsehquiz nicht gönnt – aber er braucht ganz sicher nicht mehr Geld, als er schon hat.«

Hansen tupfte etwas Honig auf die Butter.

»Na ja, schauen wir uns halt weiter um. Aber jetzt müsst ihr beide die Augen noch mehr offen halten als bisher – ich werde mit meinen Fahrten zum Pass hinauf nämlich gut zu tun haben.«

Vor dem Referenzlauf war Hansen sehr nervös. Auf dem Weg vom Stellplatz zum Start fühlte er sich wieder unsicher und fremd in Murnauers rotem Flitzer, ganz wie zu Beginn, als er sich das erste Mal hinter das Steuer des Healey gesetzt hatte. Selbst der Helm schien ihn an Stellen zu drücken, an denen er bisher perfekt gepasst hatte. Zweimal verschaltete er sich, und einmal ging ihm sogar der Motor aus. Murnauer und Haffmeyer redeten ihm gut zu, und schließlich riss sich Hansen zusammen und bekam sein Nervenflattern einigermaßen in den Griff. Ohne weitere Zwischenfälle erreichte er das Ende der Starterschlange, und mit zunehmender Wartezeit wurde er etwas ruhiger.

Seltsam, dachte Hansen, eigentlich war er hier, um sich nach einem möglichen Erpresser umzusehen, aber die Atmosphäre dieses Oldtimer-Spektakels hatte ihn inzwischen völlig in ihren Bann gezogen. Die Lautsprecherdurchsagen von Claus Dautel, die Spannung im Startbereich, die gepflegten Fahrzeuge, die netten Menschen um ihn herum, die auf ihn wirkten wie eine große harmonische Familie .



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.