Lady Helenas Geheimnis by Edmondson Elizabeth

Lady Helenas Geheimnis by Edmondson Elizabeth

Autor:Edmondson, Elizabeth
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Rowohlt Digitalbuch
veröffentlicht: 2014-12-11T05:00:00+00:00


33

«Jüdin!»

Lidia erstarrte. Sie packte den Griff des Einkaufskorbs so fest, dass er zu zittern begann. Ein Apfel fiel heraus, rollte über das Pflaster und verschwand in der Gosse.

«Da runter mit dir, in die Gosse, wo du hingehörst.» Die Stimme schallte durch die kalte Luft.

Sie war nicht mehr in einer kleinen Stadt im Norden Englands. Sie war wieder in Wien, wurde von einer Gruppe Heimwehr-Offiziere zur Seite geschubst, von denen einer nach ihrem Korb griff, ihn auskippte und über den Spaß lachte. Sie hatte Eier gekauft; sie zerbrachen, gelbe Eidotter und Eiweiß glitten in die nasse Gosse.

Sie lachten nur noch mehr. «Du bist als Nächste dran, Judenbalg. Du und deine ganze Sippschaft.»

Sie zwang sich in die Gegenwart zurück, eine Gegenwart, die bis zu diesem Augenblick Welten entfernt gewesen war von den gefährlichen Straßen Europas und den alltäglichen Demütigungen, die man ihrem Volk zufügte. Sie befand sich in Lowfell, wo die Ortsansässigen freundlich zu ihr waren und wo der englische Polizist die Hand hob, um den Verkehr anzuhalten, wenn sie die Straße überqueren musste. Doch selbst hier, an diesem entlegenen und friedlichen Ort, sagte jemand diese furchtbaren Worte.

Sie hätte am liebsten den Korb fallen gelassen und wäre gelaufen, nur weg von dieser höhnischen Stimme. Nur, wohin sollte sie laufen, wenn sie hier nicht sicher war? Tief in ihrem Innern wallte Zorn auf und schwappte über ihre Angst hinweg.

Sie fuhr ihren Peiniger an, in ihren Augen loderte der Zorn. «Sprechen Sie mit mir?», fragte sie auf Englisch.

Es war einer der Männer, von denen die Leute sagten, sie seien Schwarzhemden. Sie hatte die Leute über sie reden gehört, es waren zwei, sie wohnten im Haus von Mrs. McKechnie, einer Schottin, die Zimmer vermietete. Englische Schwarzhemden waren ganz anders als die Nazis in Deutschland, hatte sie sich gesagt. Die Engländer würden sich so etwas nicht bieten lassen. Diese Männer waren höchstens große Jungs, die das Pfadfinderspielen nicht sein lassen konnten, mehr nicht.

In dem Augenblick, als sie einen Blick auf diesen Mann warf, wusste sie, dass sie sich geirrt hatte. Dieser Mann war kein Hinterwäldler, der sich verkleidet hatte, um sein furchtsames Wesen und seine Erfolglosigkeit zu verbergen. Dieser Mann war weder ein Prahler noch ein Dummkopf. Dieser Mann war einer dieser schrecklichen Typen, die Trupps uniformierter, amtlich sanktionierter Schläger und Krimineller auf die vermeintlichen Feinde des Volkes hetzten: Juden, Zigeuner, Homosexuelle.

«Ja, ich rede mit dir, Jüdin.»

In seinen Augen lag nichts als Hass, seine Körperhaltung wirkte bedrohlich, sein Gesicht, über das vom Auge zum Mund eine bläuliche Narbe lief, war hart und hager, arisch, wie die deutschen Nazis es liebten. Er war weder ein Dummkopf noch ein blinder Fanatiker. Und doch barst er vor gewalttätiger Energie, es gefiel ihm, anderen Schmerzen und Qualen zuzufügen, unantastbar hinter seiner selbstherrlich zur Schau getragenen englischen Männlichkeit und Stärke. Seine Stimme wies ihn als Angehörigen der Oberschicht aus, er besaß die Sicherheit eines Mannes, der weiß, dass er geboren wurde, um zu befehlen. Ein Mann, der dazu erzogen worden war, Geschöpfe, die kleiner und schwächer waren als er, zu jagen und zu erschießen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.