Ladivine by Marie NDiaye

Ladivine by Marie NDiaye

Autor:Marie NDiaye [NDiaye, Marie]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2014-09-21T04:00:00+00:00


Die Kinder planschten in dem verlassenen kleinen Schwimmbad auf der Rückseite des Hotels, sie hüpften und vergnügten sich in dem Wasser, das so stark gechlort war, daß es eine Art Dunst zu verströmen schien.

Ladivine hatte diese weißliche Wolke zuerst für eine Luftspiegelung gehalten.

Marko und sie lagen jeder auf einem Liegestuhl, und der Chlorgeruch wehte sie in Schüben an.

Die Augen hinter ihren Sonnenbrillen verborgen, ruhten sie da, zwei verdrießliche Liegefiguren.

Als sie vor zwei Tagen entdeckt hatten, wie armselig das Schwimmbad war, hatten sie sich geschworen, sich nicht einmal an dessen Rand zu setzen und die Beine zu kühlen, denn sie meinten spontan, es wäre demütigend, den Anschein zu erwecken, als fänden sie dieses nierenförmige kleine Becken letztlich akzeptabel.

Ladivine dachte, daß sie ihren Zorn, ihre Enttäuschung auf eine Art zum Ausdruck brachten, die ihnen nur allzu ähnlich sah, gedämpft und kaum zu entschlüsseln.

Sie hätten, sagte sie sich, zum Direktor gehen sollen, um sich über die empörende Diskrepanz zwischen den Fotos des Schwimmbads, die auf der Hotelwebseite zu sehen waren, und der Wirklichkeit zu beschweren.

Das ist eine Frage der Brennweite, hatte Marko gejapst, bitter und ergeben.

Das Schwimmbad auf der Webseite war tatsächlich dieses hier, aber nachts aufgenommen, mit Lampen, die es von innen beleuchteten, und von weit oben, von einem der Zimmer aus, so daß es recht groß wirkte und von den Details drum herum nichts zu sehen war, den fehlenden Kacheln am Rand, den kaputten Mülleimern, den schmuddeligen Betonliegeflächen.

Annika und Daniel schienen die einzigen zu sein, die es benutzten.

»Das viele Chlor ist nicht gut für sie«, murmelte Ladivine, benommen von der Hitze.

Marko knurrte zustimmend.

Aber was sollten sie tun? Wenn sie sie nicht mehr ins Schwimmbad ließen, womit sollten sie dann die Kinder beschäftigen, die beim Gedanken, das Hotel zu verlassen, ganz krank vor Angst waren?

Sollen sie doch bis zum Abend darin bleiben, das wäre gut, dachte sie zu ihrer eigenen Überraschung.

Wie die fehlende Neugier der Kinder sie enttäuschte! Und ahmten sie darin nicht Marko nach?

Sie schaute ihn von der Seite an, seinen fest geschlossenen Mund, sein angespanntes Gesicht unter der Sonnenbrille, wie er steif auf dem Liegestuhl lag wie ein Gemarterter, der sich in sein Schicksal ergibt.

Sie streckte die Hand aus, griff nach seiner, die eiskalt war. Sie wollte sagen: Es ist noch nichts verloren, es ist noch nichts so Schlimmes passiert, daß nun …

Aber Markos Gesicht war ihr vor zwei Tagen so grau, so bestürzt erschienen, als sie am Flughafen nach über zwei Stunden begriffen hatten, daß sie ihr Gepäck nicht wiederbekommen würden, daß es wahrscheinlich auf dem Gepäckband gestohlen worden war, bevor sie selbst durch den Zoll kamen, und dann weiterhin, als sie einen Haufen unnützer Formulare ausfüllen und die sinnlose Liste dessen erstellen mußten, was die beiden für immer verschwundenen Koffer enthalten hatten.

Obwohl es sich doch letztlich nur um Kleider handelte, wie sie sofort gedacht hatte, war es ihr vorgekommen, als beraube man Marko damit eines lebenswichtigen Teils seiner selbst oder als enttäusche man seine ältesten, seine glühendsten Erwartungen.

Sie hatte gesehen, wie die Harmonie dieses Gesichts, das normalerweise eine optimistische, fröhliche Kraft ausstrahlte, zerfiel.



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