Kaltduscher by Matthias Sachau

Kaltduscher by Matthias Sachau

Autor:Matthias Sachau
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-548-28017-2
veröffentlicht: 2011-11-13T05:00:00+00:00


Superpuper

Was man so träumt und warum wird ja viel diskutiert. Oft heißt es, dass man das, was man tagsüber noch nicht so richtig verarbeitet hat, einfach noch mal durchgeht, quasi so wie Nachsitzen im Schlaf. Aber irgendwie träume ich viel zu oft Dinge, die überhaupt nichts mit meinem Tag zu tun haben, als dass das stimmen könnte. In der Nacht, nachdem mir Piotr den Ball an den Kopf geschossen hat, habe ich zum Beispiel nicht von Kanonenkugeln geträumt, sondern von einem wunderbaren Abend am Strand, und in der Nacht, nachdem ich Tobi kennengelernt habe, auch nicht von einem alles verschlingenden Monster, sondern von drei Balletttänzerinnen.

Dass ich heute Nacht tatsächlich von Julia träume, wie sie mir das nasse Stecherakademie-Buch um die Ohren klatscht, liegt bestimmt nur daran, dass es gerade unter meiner Matratze liegt. Ich sollte es vielleicht mehr Richtung Fußende verschieben.

Natürlich ist in einem Traum immer alles ein wenig verfremdet. Die Frequenz, in der ich ihre Buchhiebe einstecke, ist zum Beispiel fern aller Realität. Mindestens 125 BPM. Noch seltsamer ist aber das Geräusch. Es macht nicht Klatsch-Klatsch-Klatsch, sondern UMZZ-UMZZ-UMZZ. Und das in einer Lautstärke, als wäre mein Kopf ein an eine 4000-Watt-Verstärkeranlage angeschlossenes Drumpad.

Natürlich wache ich irgendwann davon auf. Zum Glück weiß ich seit dem Presslufthammerangriff vor ein paar Tagen, dass sich mit dem Ende des Traums nicht immer unbedingt alles in Wohlgefallen auflöst, was einen gepeinigt hat. Deshalb nehme ich es halbwegs gelassen, dass ich, nachdem ich die Augen geöffnet und mich aufgesetzt habe, weiter UMZZ-UMZZ-UMZZ höre. Es ist zwar durchaus so laut, als würde man im Sommer 1998 von einem Love-Parade-Truck überrollt, aber gegen den Presslufthammer von neulich kann das trotzdem nicht anstinken, denke ich mir, während ich in den Flur tapere. Ich weiß zwar nicht, was das bringen soll, aber irgendwas muss man ja machen.

Im Flur sehe ich Tobi und Reto in Boxershorts, die gerade versuchen, Gonzo den 2000-Gramm-Hammer aus unserem Werkzeugkasten aus der Hand zu winden.

»Chromm, sei vernünftig.«

»Das bringt doch nichts.«

»Doch, ich mach den ganzen Laden kaputt! Und ihre Brillen zermalm ich zu Staub! Den müssen sie dann schnupfen! Lasst mich los!«

UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ-UMZZ

Ich beginne langsam, die Situation zu begreifen. In der Galerie ist Party. Eigentlich nichts Besonderes. Früher konnte man locker über die Geräusche, die durch unsere Decke drangen, hinwegschlafen. Aber irgendwie müssen sich die Scheitelkokser in den letzten Monaten eine gewaltige neue Beschallungsanlage vom Drogenbudget abgespart haben, und heute Nacht testen sie sie anscheinend zum ersten Mal an.

»Also lass uns einen Kompromiss machen, Gonzo. Du lässt den Hammer hier, aber dafür darfst du reden, wenn wir jetzt runtergehen.«

»Und du ziehst dir vorher was an.«

»Grrr. Lasst mich!«

»Entweder so oder gar nicht.«

An Tobi ist heute wirklich ein Pädagoge verlorengegangen.

»Na gut, na gut.«

»Freut mich, dass du vernünftig bist.«

»Ich beuge mich nur der Gewalt.«

Gonzo gibt den Hammer her. Wir schlüpfen in unsere Kleider und passen gleichzeitig auf, dass er nicht vorzeitig wegfitscht. Tobi setzt noch mal seinen strengen Blick auf und gibt Gonzo ein paar letzte Ermahnungen mit auf den Weg, während Reto und ich die Tür blockieren.

»Und nicht vergessen: Lösung geht vor Eskalation.



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