Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus by Dirk Ahner

Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus by Dirk Ahner

Autor:Dirk Ahner [Ahner, Dirk]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
ISBN: 9783833901836
Herausgeber: Bastei Lübbe
veröffentlicht: 2013-08-15T22:00:00+00:00


Sechzehntes Kapitel

Das träumende Dorf

Cassius hatte die Wand des Kartoffelkellers freigeräumt. Zu Jonathans Erstaunen verbarg sich hinter den Regalen ein schmaler Durchgang, der zu einem verborgenen Raum führte. Er fragte sich, wie viele Geheimnisse diese Burg wohl noch barg. Cassius schaltete seine Taschenlampe ein und bedeutete ihm zu folgen. Sie krochen durch das Mauerwerk in ein niedriges Gewölbe.

»Vor vielen Jahrhunderten hat in diesen Ländern ein Krieg getobt«, erklärte Cassius. Seine Stimme hallte hohl von den Wänden des Gewölbes zurück. »Der Herrscher von Bärenfels schickte sein Heer in die benachbarten Grafschaften, wo seine Soldaten plünderten und brandschatzten. Er wollte die Grenzen seines Reiches erweitern, ihm ein paar Äcker und Wälder hinzufügen, um sich damit in den Geschichtsbüchern zu verewigen. Er dachte, dass sein Ruhm die Jahrhunderte überdauern würde, dieser Schwachkopf. Heute interessiert sich niemand mehr für die Taten eines kleinen Feldherrn, dessen Knochen zu Staub zerfallen sind. Nur die Arroganz der Menschen ist noch größer als ihre Dummheit.« Er schnaubte verächtlich. »Mehr als drei Monate wurden Bärenfels und diese Burg belagert. Viele Leute starben durch das Schwert oder den Hunger. Natürlich nicht der Herrscher dieser Burg, der den Krieg angezettelt hatte. Er saß auf reich gefüllten Vorratskammern und wartete die Belagerung einfach ab. Um ganz sicherzugehen, dass ihm Wein und Wildbret auch während der Schlacht niemals ausgingen, hat er diesen Versorgungsgang errichten lassen.« Der Lichtkegel seiner Taschenlampe richtete sich auf ein Loch im Boden, das steil in die Dunkelheit fiel. »Er führt unter der Burg hindurch, bis hinunter ins Dorf.«

»Ganz schön eng«, sagte Jonathan fröstelnd.

»Er sollte nicht als Einfallstor der Feinde missbraucht werden, also ließen die Baumeister gerade genug Platz für einen Knaben. Ein erwachsener Mann passt nicht durch.«

Jonathan warf einen zweifelnden Blick in das Loch. Es war tatsächlich sehr eng. Er wusste, dass die Menschen im Mittelalter aufgrund der schlechten Ernährung und der mangelnden Hygiene viel schmächtiger gewesen waren. Ein Junge in seinem Alter hätte also sicher problemlos in den Schacht gepasst. Aber er war viel größer. Womöglich zu groß. Cassius las die Bedenken an seiner Miene ab.

»Keine Sorge. Ich bin in deinem Alter sehr oft darin herumgekrochen. Der Gang ist groß genug. Erst geht es ziemlich steil nach unten und dann geradeaus. Nach etwa zweihundert Metern erreichst du den Ausgang. Er führt zur Ruine einer Kapelle und ist wahrscheinlich von Gestrüpp verschlossen. Sei vorsichtig, wenn du dich nach draußen wühlst. Niemand darf dich sehen.«

Die Vorstellung, durch einen unterirdischen Maulwurfsgang zu kriechen, erweckte keine große Begeisterung in Jonathan. Noch weniger gefiel ihm allerdings der Gedanke, Riot und seinem Rudel von Wölfen über den Weg zu laufen. Schweren Herzens nahm er den Rucksack ab – er würde ihn vor sich herschieben müssen – und setzte sich an den Rand des Lochs.

»Dort unten ist nichts, was dir gefährlich werden könnte, außer vielleicht ein paar Spinnen und Ratten«, bekräftigte Cassius noch einmal. »In der Wand sind genügend Vorsprünge und Nischen, du kannst dich also bequem herunterhangeln.« Er legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihm dabei fest in die Augen. »Sei vorsichtig, Junge.



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