Jochen Klepper (B00A7DZ1RM) by Markus Baum
Autor:Markus Baum [Baum, Markus]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Neufeld Verlag
veröffentlicht: 2012-12-01T05:00:00+00:00
Recht und Gnade
Angesichts der Aufrüstung Deutschlands und der unverhohlenen Vorbereitungen auf einen nächsten Waffengang hat Jochen Klepper einen Zug an Friedrich Wilhelm I. besonders gründlich herausgearbeitet: Der Mann trägt zwar zu Recht den Beinamen »Soldatenkönig«, aber er meidet den Krieg. Er hat seine Meriten als Heerführer, aber seine Soldaten sind ihm zu kostbar, als dass er sie verheizen würde. Er lässt seine Truppen exerzieren, er bewegt sie als Machtfaktor auf der politischen Landkarte, aber er sucht nicht den Kampf. Und wenn er ihn führen muss, dann führt er ihn ehrenhaft. Im einzigen Krieg seiner Amtszeit, dem »Großen Nordischen Krieg«, den er noch von seinem Vater geerbt hat, lässt er den geschlagenen schwedischen König bewusst entkommen: Er muss ihn nicht auch noch demütigen. Auf Provokationen geht er nicht ein, er hält die Füße still und provoziert selbst nicht. Nicht der Krieg liegt ihm am Herzen, sondern das Wohl und der Wohlstand seiner Landeskinder, auch seiner geliebten Soldaten. Und dieses Wohl kann er nur im Frieden garantieren, diesen Wohlstand nur im Frieden vermehren.
Dieser König verzehrt sich für sein Volk, trägt stoisch die Last der Verantwortung, trägt seinen Untertanen ihren zeitweiligen Unmut und ihr Murren nicht nach (er musste ihnen angesichts der drohenden Staatspleite ja auch viel zumuten), erträgt die Verdächtigungen und Missdeutungen seines Verhaltens, solange ihn zumindest der höchste, himmlische König über ihm versteht. Aber natürlich schmerzt es ihn, wenn er missverstanden wird, und besonders schmerzt ihn die innere Distanz zu seinem Ältesten, dem Kronprinzen Friedrich II.
Eine der stärksten Szenen von Jochen Kleppers Roman bildet den Auftakt des elften Kapitels, das entsprechend den Titel »Der Gott von Geldern« trägt. Jochen Klepper beschreibt eine Skulptur, eine Pieta, eine Beweinung Christi, die sein Friedrich Wilhelm 1730 bei einem Besuch der lutherischen Heilig-Geist-Kirche in Geldern am Niederrhein entdeckt.211 In diesem Fall beweint nicht Maria, sondern Gottvater seinen gemarterten und zerschlagenen Sohn. »Der unwandelbar heilige und ewige Gott, die Krone des Lebens und der Gerechtigkeit auf seinem Haupte, saß auf dem Stuhl, der wie ein Regenbogen anzusehen und in den Tiefen der Erde gegründet war. […] Im Schoße Gottes lag sein Sohn, und die Rechte Gottes hielt den Kopf des Menschensohnes mit der Dornenkrone.« Der König meditiert über dem Eindruck dieser Skulptur, noch lange, nachdem er die Kirche verlassen hat. Der »Gott von Geldern« verstört ihn, auch und gerade, weil er den Eindruck haben muss, dass sein eigener Sohn Friedrich an ihm Hochverrat begangen hat. Muss er ihn strafen? Darf er ihn schonen? Und wie passt da hinein das Bild des himmlischen Vaters und Königs der Könige, der um seinen unschuldig gemarterten Sohn trauert? – Am Ende kommt der Kronprinz mit dem Leben davon, der König musste dem Gesetz trotzdem Geltung verschaffen, die verhängte Strafe ist hart (ein Todesurteil aus Staatsräson), und er darf nicht hoffen, dafür allgemeine Zustimmung zu ernten. Aber die Botschaft kommt an – der Kronprinz weiß, dass er dem Henker gerade so entkommen ist und dass er sich nicht hätte beschweren dürfen, wenn es auch ihn getroffen hätte.
Nicht Gnade vor Recht, aber
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