Italiener sind zum Küssen da by Martina Sahler

Italiener sind zum Küssen da by Martina Sahler

Autor:Martina Sahler
Format: epub
ISBN: 9783522650311
Herausgeber: Planet Girl
veröffentlicht: 2011-01-07T16:00:00+00:00


Chat mit Mom

An den meisten Tagen fühle ich mich wohl in meiner Patchworkfamilie, obwohl mir meine beiden Stiefbrüder täglich auf die Nerven gehen. Aber grundsätzlich mag ich es, mit Papa und meinen anderen Leuten hier in der Villa Wildsee zu leben. Oft genug finde ich auch jemanden zum Quatschen, wenn mir danach ist.

Aber manchmal vermisse ich sie auch: meine Mama, die in Hamburg als Schriftstellerin lebt. Ich vermisse ihre Nähe, ihre Art, mir mit der Rückseite ihrer Finger über die Wange zu streicheln, die Wärme in ihrem Lachen und wie sie manchmal, wenn sie glaubt, keiner merkt es, bei der Arbeit singt.

Selbstverständlich sind wir mit Handy und Internet verbunden wie durch eine dicke Nabelschnur und können zu jeder Tages- und Nachtzeit miteinander in Kontakt treten. Aber hin und wieder, wenn sich die Ereignisse in der Villa Wildsee überstürzen, treten unsere Gespräche auch in den Hintergrund und in dem ersten stillen Moment nach dem Chaos merke ich dann, dass mir etwas fehlt.

So auch an diesem Sonntagmittag. Seit neun Uhr haben wir drei Mädels gemeinsam mit Nasi den Keller aufgeräumt. Klar, die Musiker waren unsere Gäste und sind gar nicht erst auf die Idee gekommen, uns beim Putzen zu helfen. Und Valentin hat sich in seinem Zimmer eingesperrt, um in aller Ruhe zu daddeln. Auf Chiara hofft keine von uns.

Als gegen halb zwölf alles wieder blitzeblank ist und der Zitronenduft des Putzmittels die Ausdünstungen des Abends vertrieben hat, verabschieden sich meine Freundinnen mit müden Augen. Ihre Eltern warten daheim auf sie, aber wir verabreden uns trotzdem noch für den späten Sonntagnachmittag. Bis dahin wollen wir uns auf den morgigen ersten Schultag vorbereiten, Stifte spitzen, Hefte neu beschriften, Schülerkalender mit persönlichen Daten füllen, Schulranzen packen …

Ich habe das alles in einer halben Stunde erledigt und in meinem Zimmer sind die Kissen, Matratzen und Decken auch wieder an ihrem angestammten Platz.

Das Fenster ist weit geöffnet, während ich zurückgelehnt in meinem ledernen Chefsessel an meinem Schreibtisch sitze, die Füße hochgelegt, und auf einem Stift herumkaue. Vogelgezwitscher dringt von draußen herein und Reflexe von Licht und Schatten, während am Himmel die vorbeiziehenden Wolken mit der Spätsommersonne spielen.

Mir gehen tausend Gedanken durch den Kopf, bis ich merke, wie sehr ich mich gerade nach meiner Mama sehne. Ich habe so viel zu erzählen und ich glaube, ich brauche auch ihren Rat. Ich schwinge meine Füße in den weißen Söckchen vom Schreibtisch, klappe meinen Laptop auf und öffne den Messenger. Valentin, der ja sonst viel Blödsinn macht, hat dafür gesorgt, dass wir im ganzen Haus WLAN und außerdem eine Flatrate haben, das heißt, wir können von jeder Stelle in der Villa zu jeder Zeit ins Internet.

In meiner Freundesliste ist nur meine Mutter als online gekennzeichnet. Philipp, Wiebke und Vanessa sind offline, aber mit denen chatte ich ohnehin nur selten. Warum auch? Wir sehen uns ja mehrmals täglich. Und Valentin, der mal angefragt hat, ob ich ihn in meine Kontaktliste aufnehme, habe ich abgelehnt und als unerwünschte Person geblockt, worüber er sich später, als wir uns beim Mittagessen trafen, kaputtgelacht hat.



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