Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) by Link Charlotte

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) by Link Charlotte

Autor:Link, Charlotte [Link, Charlotte]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: Random House DE
veröffentlicht: 2012-09-11T22:00:00+00:00


6

Matthew wollte fort von Holy Island, so schnell er konnte. Ihm reichte es, und er war wütend. Ich wäre gern noch etwas geblieben, jetzt, da das unangenehme Ereignis hinter uns lag und ich wieder entspannt durchatmen konnte. Holy Island – zumindest das, was ich auf unserer raschen Durchfahrt sehen konnte – faszinierte mich: die Hochebenen, die kaum eine Begrenzung für das Auge boten, die Klippen aus hellgrauem Stein, das flach gedrückte, bräunliche Gras, die vielen weidenden Pferde überall, die Kirchen und Keltenkreuze. Es war ein Katzensprung von hier nach Dublin und Dún Laoghaire hinüber, und die ganze Anmutung war so, als befände man sich bereits in Irland. Matthew sagte, dass er Holy Island natürlich schon bei schönem Wetter, jedoch noch nie bei solcher Hitze erlebt hatte. Meist sei es hier kühl, windig und oft regnerisch. Ich stellte mir Vanessa vor, die hier aufwuchs. Mit ihrer Mutter hoch über den Klippen spazieren ging, im blauen Faltenrock auf den Schulbus wartete, später als Teenager an verregneten Samstagabenden in der örtlichen Diskothek von aufregenderen Orten träumte. Ich vermutete, dass Teenager von hier fortstrebten, sich am liebsten nach London gebeamt hätten oder in den Ferien irgendwohin, wo es trockener und die Nächte lebendig und vielversprechend waren. Vanessa hatte es immerhin nach Swansea geschafft. Und war eine angesehene, geschätzte und beliebte Universitätsdozentin geworden.

Nicht schlecht für ein Mädchen aus Anglesey.

Über die Four-Mile-Bridge verließen wir Holy Island, und von da an hatte ich den Eindruck, dass sich auch Matthew etwas entspannte. Er sprach immer noch nicht viel, aber er wirkte gelöster, glatter im Gesicht.

Als wir uns wieder Richtung Süden wandten, sagte er unvermittelt: »Es tut mir leid. Es muss scheußlich für dich gewesen sein.«

Ich fand nicht, dass er sich für irgendetwas entschuldigen musste. »Nein, im Gegenteil«, sagte ich, »es tut mir leid.«

»Wieso das denn?«

»Na ja«, ich blickte an mir hinunter, »dieses unmögliche Kleid zum Beispiel. Es eignet sich für eine Cocktailparty, aber nicht für eine Beerdigung. Ich glaube, deine Verwandten fanden mich ziemlich … unpassend.«

»Es sind nicht meine Verwandten«, korrigierte er sofort, »sondern die von Vanessa. Und was stört dich an deinem Kleid?«

»Es ist viel zu kurz!«

Er schaute zu mir herüber. Jetzt im Sitzen bedeckte das schreckliche Kleid gerade einmal den Ansatz meiner Oberschenkel. Ich glaube, Matthew nahm mich zum ersten Mal an diesem Tag bewusst wahr.

Er grinste plötzlich. »Oh, es ist in der Tat …« Er suchte nach einem passenden Wort.

»Frivol?«, schlug ich vor. »Unanständig? Provozierend?«

»Alles zusammen«, sagte er lächelnd. »Aber du hast phantastische Beine. Ich wette, Susan, der Drache, ist fast geplatzt vor Neid!«

Ich erwiderte sein Lächeln. Es war der Augenblick, an dem sich der ganze Tag unverhoffterweise vollständig wendete. Heiß, fast unerträglich heiß, war es die ganze Zeit über gewesen. Aber nun war auf einmal auch eine Wärme zwischen uns beiden spürbar, die nichts mit den Temperaturen draußen zu tun hatte.

»Ich weiß nicht, wie es dir geht«, sagte Matthew, »aber ich habe absolut keine Lust, heute schon nach Hause zu fahren. Ich finde, wir haben etwas Besonderes verdient. Irgendeine malerische Ecke, ein schönes Restaurant, ein tolles Hotel.



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