Hegels Begriff der Weltgeschichte by Tim Rojek

Hegels Begriff der Weltgeschichte by Tim Rojek

Autor:Tim Rojek
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter
veröffentlicht: 2017-03-15T00:00:00+00:00


2.4.4.1Hegels Wissenschaftsbegriff

Im Rahmen des hegelschen Systems lassen sich mindestens vier verschiedene Verwendungsweisen des Ausdrucks ‚Wissenschaft‘ unterscheiden, auf die ich im folgenden kurz eingehen werde. 323

Erstens: Hegel verwendet den Ausdruck ‚Wissenschaft‘ synonym mit dem Ausdruck ‚Philosophie‘ und zwar in dem Sinne, in dem die spekulative Philosophie gemeint ist.324 Also diejenige Ausgestaltung der Philosophie, die aufgrund ihrer Letztbegründungsstruktur und ihrer spezifischen Organisation den Anspruch der Philosophie Wissenschaft zu sein, erfüllt.325 In diesem Sinne schreibt Hegel bereits in der Vorrede der Phänomenologie des Geistes (1807):

Die wahre Gestalt, in welcher die Wahrheit existirt, kann allein das wissenschafftliche System derselben seyn. Daran mitzuarbeiten, daß die Philosophie der Form der Wissenschaft näher komme, – dem Ziele, ihren Nahmen der L iebe zum Wissen ablegen zu können und wir kliches Wissen zu seyn, – ist es, was ich mir vorgesetzt. (PhG: 11.24–28)

Diesen Anspruch, die Philosophie zu der Wissenschaft überhaupt auszugestalten, meint Hegel in seinem späteren System erfüllt zu haben. Es gibt m.E. keinen Hinweis darauf, dass Hegel diesen Anspruch bis zu seinem Tode aufgegeben hätte. Daher kann diese Stelle hier als Beleg herangezogen werden, ganz unabhängig von der Frage, ob die Phänomenologie als Teil dieses Systems zu betrachten ist oder nicht. Hegel ist jedenfalls der Ansicht, mit dem System diesen Anspruch erfüllt zu haben, ganz unabhängig davon, ob nun die Phänomenologie als Einleitung in dieses konzipiert wurde, oder aber man unabhängig von dieser einfach anhand der Enzyklopädie in das System einsteigen kann.

Zweitens: Im Rahmen des System verwendet Hegel den Ausdruck ‚Wissenschaft‘ im Plural für verschiedene Teilbereiche des einen wissenschaftlichen Systems,326 das die spekulative Philosophie als Ganze darstellt.

Die Teilbereiche des philosophischen Systems bezeichnet Hegel auch als „besondere Wissenschaft[en]“ (Enz. (1830) § 16 A.; 57.5 f.). Diese besonderen Wissenschaften stellen dabei selbst eine „Totalität“ (ebd.; 56.25) dar. ‚Totalitäten‘ sind für Hegel solche Teilbereiche, die mittels der Struktur des Begriffs, d. h. mit den spezifischen Mitteln der Philosophie, die letztlich die Wissenschaft der Logik bereitstellt, vollständig expliziert werden können. Dabei ist die interne Rechtfertigung und Explikation dieser Teilbereiche von der externen zu unterscheiden. Unter extern verstehe ich dabei eine Rechtfertigung, die über den jeweiligen Teilbereich (z. B. die ‚Organik‘ im Rahmen der Naturphilosophie) hinausgeht und diesen Bereich selbst im Rahmen des abgeschlossenen Gesamtsystems verortet. Seine letzte Rechtfertigung erhält ein Teilbereich dabei nur durch seine Einordnung in das Gesamtsystem.327 Die spezifischen Teilbereiche respektive besonderen Wissenschaften können dabei anhand von Teilprinzipien erschlossen werden, die selbst dem Universalprinzip der absoluten Idee, die das Gesamtsystem organisiert, eingeordnet sind. Diese Gesamtstruktur des Zusammenhangs der Teilbereiche und des Systems, das sich aus ihnen konstituiert, bringt Hegel folgendermaßen zum Ausdruck:

Jeder der Teile der Philosophie [z.B. Philosophie der Natur; oder der objektive Geist/T.R.] ist ein philosophisches Ganzes, ein sich in sich selbst schließender Kreis [d. h. die interne Rechtfertigungsstruktur/T.R.], aber die philosophische Idee ist darin in einer besondern Bestimmtheit oder Elemente. Der einzelne Kreis durchbricht darum, weil er in sich Totalität ist, auch die Schranke seines Elements und begründet eine weitere Sphäre; das Ganze stellt sich daher als ein Kreis von Kreisen dar, deren jeder ein notwendiges Moment ist, so daß das System ihrer eigentümlichen Elemente die ganze Idee ausmacht [d.



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