Gott der Barbaren by Stephan Thome

Gott der Barbaren by Stephan Thome

Autor:Stephan Thome [Stephan Thome]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Brennpunkt, Fanatismus, Religion, Missionar, Christentum, Kaiserreich, Konflikt, Radikal, Gottesstaat, Hongkong, Kaiser, Nanking, Shanghai, Terror, Peking, Zerstörung, Rebellion
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2018-09-09T22:00:00+00:00


THE

North China Herald

Vol. XI, No. 526.    Price, Taels 15 p. ‌a.

  Shanghai, Saturday, August 25, 1860

REBELLEN

Welch eine ereignisreiche Woche! Welch ein Sieg! Was unsere Truppen im Norden erreicht haben, wissen wir zur Stunde noch nicht, aber in Shanghai ist selbst langjährigen Bewohnern kaum erinnerlich, wann sich die Stadt zuletzt im Zustand einer solcher Aufregung befunden hat, und niemand entsinnt sich eines derart überwältigenden Gefühls der Erleichterung, das auf Wochen bangen Wartens folgte.

Wie vermutet, begannen die Rebellen ihren Vormarsch von Suzhou aus. Dichte Rauchsäulen am westlichen Horizont zeigten in den frühen Morgenstunden des 17. August ihr Näherrücken an. Zwei Meilen vor unserer Stadt stießen sie auf ein Kontingent kaiserlicher Streitkräfte und starteten ihre erste, mit ungewöhnlicher Verve vorgetragene Attacke. Die Tataren leisteten heftigen Widerstand, sahen sich nach einiger Zeit aber zum Rückzug gezwungen und wurden von den Rebellen verfolgt, die auf diese Weise in die Chinese City vorzudringen hofften. Capt. Cavanagh, R. ‌M., durchkreuzte das freche Vorhaben jedoch, indem er rechtzeitig die Zerstörung der entsprechenden Brücken anordnete. Seine tapferen Kanoniere bereiteten den Angreifern sodann einen stürmischen Empfang. Auf der südlichen Stadtmauer waren es derweil die Kanonen von Capt. MacIntyres Madras-Gebirgszug, die die feindlichen Reihen durch heftiges Feuer lichteten und ihr Werk gewiss noch gründlicher würden verrichtet haben, hätten zahlreiche Grabanlagen und Bäume den Angreifern nicht vorzügliche Deckung geboten. Bemerkenswert war indessen, dass die Rebellen keinen Schuss auf britische Stellungen abgaben! Zu tief saß der Eindruck unserer überlegenen Feuerkraft. Als sie am Nachmittag in südwestlicher Richtung abzogen, bekamen sie von Lieut. O'Grady, der seine Sikhs in der dortigen Feldwache postiert hatte, eine Salve aus Brown-Bess-Musketen und Enfield-Gewehren verabreicht, die sie bewegte, ihr Nachtlager lieber nahe dem sogenannten Baby Tower aufzuschlagen. Dank des umsichtigen Vorgehens unserer Offiziere war auf britischer Seite kein Verlust zu beklagen. Im Schutz der Dunkelheit wurden Männer ausgeschickt, um in den Vorstädten alle Häuser niederzubrennen, die dem Feind hätten Unterschlupf bieten können. Augenzeugen beobachteten dabei folgende bemerkenswerte Szene: Beim Südtor fanden unsere Truppen eine alte Chinesin auf einem Sarg sitzend, der ihren Mann enthielt. Sie weigerte sich kategorisch, ihr Haus zu verlassen, und verlangte, man möge sie an Ort und Stelle verbrennen, aber statt dem wunderlichen Ansinnen zu entsprechen, wurde sie kurzerhand mit in den Sarg gesteckt und wie auf einem Floß über den Stadtgraben gezogen. Unter den herumliegenden Leichen der Rebellen fanden sich viele, die so grausig entstellt worden waren, wie es die chinesische Tradition der Kriegsführung leider verlangt. Die Feuer der niedergebrannten Häuser loderten die ganze Nacht hindurch.

Das Abbrennen der Vorstädte machte sich zwei Tage später bezahlt: Ihres Schutzes beraubt, gaben die zurückkehrenden Rebellenverbände ein vortreffliches Ziel für die Schießübungen unserer tapferen Soldaten ab. Lieut. O'Grady erwies sich dabei als besonders treffsicher; nicht weniger als zwanzig Angreifer fielen seiner sicheren Hand zum Opfer. Mit Ausnahme von zwei Stunden, in denen Reverend Hobson die Messe las, wurde an diesem Sonntag pausenlos geschossen. Gegen erbitterten Widerstand arbeiteten sich einige Rebellen bis zum ›Tempel der Himmelskönigin‹ vor, um auf dessen Dach ihre Fahne zu hissen. Solchem Vorwitz begegneten unsere französischen Verbündeten auf gewohnt humorlose Art.



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