Globalisierung nach der Corona-Krise by Hartmut Frey & Engelbert Westkämper & Dieter Beste

Globalisierung nach der Corona-Krise by Hartmut Frey & Engelbert Westkämper & Dieter Beste

Autor:Hartmut Frey & Engelbert Westkämper & Dieter Beste
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783658311834
Herausgeber: Springer Fachmedien Wiesbaden


2.3 Mehrwert durch Kapital ohne Arbeit

Das Neue an der Corona-Pandemie in Verbindung mit der globalen Digitalisierung ist, dass diese Veränderungen, mit denen das Kapital auf sie reagiert, mit den gegenwärtigen Steuerungsmechanismen der Notenbanken immer weniger beherrschbar sind.

Zur Beschreibung dieser Entwicklung verwenden die Ökonomen den Begriff Produktionsfunktion. Hierbei handelt es sich um eine mathematische Formel, in der die Ökonomen den technologischen Stand von Produktionsmittel einer Gesellschaft versuchen zu beschreiben. Die Produktionsfunktion ist nach den Vorstellungen der Ökonomen maßgeblich durch eine Substitutionselastizität zwischen Kapital und Arbeit gekennzeichnet, wobei dieser Begriff messen soll, wie leicht es möglich ist, Arbeit durch Kapital zu ersetzen, um die nachgefragten Güter und Dienstleistungen zu erzeugen. Eine Substitutionselastizität von null bedeutet nach Vorstellungen der Ökonomen eine Produktionsfunktion mit völlig starren Koeffizienten: Auf einen Industriearbeiter kommt genau eine Maschine nicht mehr und nicht weniger. Würde jede Arbeitskraft auch nur eine zusätzliche Maschine bedienen, könnte sie damit nichts mehr an Zusätzlichem herstellen was der Markt aufnehmen kann, und die Grenzproduktivität dieser zusätzlichen Kapitaleinheit läge bei null. Wenn es im Verhältnis zum verfügbaren Kapitalstock eine Arbeitskraft zu viel gibt, ist es unmöglich, ihn in irgendeiner Weise produktiv einzusetzen.

Umgekehrt bedeutet eine grenzenlose Substitutionselastizität, dass die Grenzproduktivität des Kapitals völlig unabhängig von der Kapitalmenge und der verfügbaren Arbeit ist. Insbesondere die Kapitalrendite hängt nicht von der Kapitalmenge ab: Es ist immer möglich, mehr Kapital zu akkumulieren, um die Produktion um einen Prozentsatz zu erhöhen, z. B. um 5 oder 10 % pro Jahr und pro zusätzlicher Kapitaleinheit. Man kann an eine voll automatische Produktion, gesteuert durch selbstlernende Algorithmen denken, in der die Produktion grenzenlos gesteigert werden kann, da allein das Kapital arbeitet.

Keiner dieser beiden Fälle ist tatsächlich relevant: Beide gehören gegenwärtig noch ins Reich der Phantasie. Bei einer vollautomatischen Produktion kann die Herstellung von realen Produkten nicht unbegrenzt gesteigert werden, auch unter der Prämisse, dass sich Maschinen und Anlagen mittels künstlicher Intelligenz selbst reproduzieren und Ressourcen, wie Rohstoffe und Energie ohne Schädigung der Natur unbegrenzt zur Verfügung stehen würden. Die Zahl der Abnehmer der Produkte ist einfach begrenzt. Die Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Kapital nähert sich null, d. h. die Grenzproduktivität des Kapitals nimmt ebenfalls ab, das Kapital wiederum würde sinken, was aber nicht der Fall ist, da es sich selbst reproduziert. Die Grenze zwischen privatem und öffentlichem Kapital wird dadurch immer undurchsichtiger. So gibt es längst zahlreiche Tätigkeitsfelder, auf denen sich Organisations- und Eigentumsformen entwickelt haben – öffentlich finanzierte Forschungs- und Entwicklungszentren –, die mit den polar einander gegenüberstehenden Paradigmen rein privaten Kapitals oder rein öffentlichen Kapitals nur noch wenig zu tun haben. Einher geht diese Entwicklung mit einer schleichenden Enteignung des Sparkapitals des Individuums zugunsten des Staatskapitals und damit der Machtverteilung zugunsten politischer Entscheidungsträger, die gleichzeitig immer stärker in die Abhängigkeit von global agierenden Großkonzernen geraten.

Mehr mit weniger Arbeiten war schon immer eines der Ziele der politischen Ökonomie; aber man verfolgte und verfolgt immer noch dieses Ziel lediglich unter der Betrachtung relativer Größen (weniger Kapital und Arbeit pro Produkt, d. h. Reduktion der Grenzkosten) im Rahmen eines Wachstums der absoluten Mengen (mehr verwertetes Kapital mithilfe einer Produktion, die schneller Anstieg als dieses).



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