Geschichte des Westens: Vom Kalten Krieg zum Mauerfall (German Edition) by Winkler Heinrich August

Geschichte des Westens: Vom Kalten Krieg zum Mauerfall (German Edition) by Winkler Heinrich August

Autor:Winkler, Heinrich August [Winkler, Heinrich August]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406669859
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2014-09-14T22:00:00+00:00


Krisenpolitik: Westeuropa im Zeichen der Rezession

Von den größeren Ländern der Europäischen Gemeinschaft wurde keines von der weltwirtschaftlichen Rezession im Gefolge der Energiekrise so hart getroffen wie Großbritannien. Die «stagflation», in der sich das Vereinigte Königreich seit langem befand, läßt sich mit einigen wenigen Daten illustrieren: Die Einzelhandelspreise stiegen seit 1968, abgesehen von 1972/73, ständig; die Lohnsteigerungen hielten sich seit 1970 im zweistelligen Bereich. In der ersten Hälfte der siebziger Jahre verschlechterte sich die britische Handelsbilanz dramatisch; das Austauschverhältnis von Importen und Exporten (terms of trade) lag 1974 um 25 Prozent ungünstiger als drei Jahre zuvor. Das Pfund Sterling war Ende 1975 um 30 Prozent weniger wert als Ende 1971.

Der Ölschock vom Oktober 1973 fiel zeitlich zusammen mit schwierigen Verhandlungen zwischen der National Union of Mineworkers (NUM) und dem National Coal Board. Die Bergarbeitergewerkschaft verlangte Lohnerhöhungen von durchschnittlich 30 Prozent, für einzelne Gruppen von Arbeitern von 47 Prozent, und verweigerte, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, bis auf weiteres die Ableistung von Überstunden. Gegenangebote der staatlichen Arbeitgeber lehnte sie ab. Da sich die Energieversorgung des Vereinigten Königreiches auf Grund gesetzlicher Regelungen zu 70 Prozent aus der Kohleverstromung speiste, drohte nunmehr der Zusammenbruch des Wirtschaftslebens. Am 13. Dezember 1973 verfügte die Regierung Heath, um einen nationalen Notstand zu vermeiden, Energieeinsparungen von 30 Prozent und zu diesem Zweck für die Zeit vom 17. bis 31. Dezember die Fünftagewoche für die meisten Wirtschaftszweige, für die Zeit danach die Dreitagewoche. Von den energiepolitischen Sparmaßnahmen prägten sich einige der kollektiven Erinnerung der Briten besonders ein: der Rückgriff auf Kerzen und Öllampen infolge häufiger Stromsperren, die Einschränkung der Beleuchtung von Straßen und Geschäften, die Beendigung des Fernsehprogramms um 22 Uhr 30, die Begrenzung der Geschwindigkeit auf Land- und Fernstraßen auf 50 Meilen (89 Kilometer) pro Stunde.

Die Hoffnung des Regierungschefs, die NUM durch Härte zum Einlenken zu bewegen, erfüllte sich jedoch nicht. Am 9. Februar 1974 wurde das Ergebnis einer Urabstimmung der gewerkschaftlich organisierten Bergarbeiter bekanntgegeben: Mit einer Mehrheit von 81 Prozent votierten sie für einen Streik. Drei Tage später verkündete Heath die Auflösung des Unterhauses und Neuwahlen am 28. Februar. Die Wahl sollte nach dem Willen des Premierministers zu einem Plebiszit über die Frage werden, ob eine radikale Gewerkschaft oder die Mehrheit des Volkes das Sagen in Großbritannien haben sollte. «Wer regiert Britannien?» (Who rules Britain?) lautete denn auch die rhetorische Frage im Wahlaufruf der Konservativen Partei. Die Nation müsse sich zwischen Mäßigung und Extremismus entscheiden – zwischen der verantwortungsbewußten Politik der Konservativen und der Herrschaft machthungriger Gewerkschaftsführer, ausgeübt durch ihre Kreatur, die weit nach links gerückte Labour Party.

Die Partei Harold Wilsons forderte in ihrem Wahlmanifest einen neuen Gesellschaftsvertrag, der die Balance von Macht und Wohlstand zugunsten des arbeitenden Volkes verlagern sollte. Regierung und Gewerkschaften müßten sich auf Lohnzurückhaltung und im Gegenzug auf striktere Preiskontrollen, höhere Pensionen und völlige Freiheit bei der Aushandlung von Tarifverträgen verständigen. Was der Labour Party in den Umfragen nützte, waren aktuelle Wirtschaftsdaten, die gegen die regierenden Konservativen zu sprechen schienen: der Anstieg der Lebensmittelpreise um 20 Prozent in den letzten zwölf Monaten und ein Rekorddefizit in der Handelsbilanz im Januar.



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