Flieger ueber den sechsten Erdteil - Meine Suedpolarexpedition by Richard Evelyn Byrd

Flieger ueber den sechsten Erdteil - Meine Suedpolarexpedition by Richard Evelyn Byrd

Autor:Richard Evelyn Byrd
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Herausgeber: Edition Erdmann in der marixverlag GmbH
veröffentlicht: 2013-12-31T23:00:00+00:00


X.

WINTERLEBEN IN DER EISWELT

Cherry-Garrard, Scotts wissenschaftlicher Mitarbeiter, hat geschrieben: »Eine Reise zum Südeis mag verdienstlich sein. Aber einmal dort, bedeutet der Aufenthalt kein besonderes Verdienst mehr. Mit Forscherabsicht zu überwintern ist kaum lobenswerter, als wegen der Lungen in Davos zu weilen oder den Winter im besten Hotel Londons zu verbringen. Es ist eben das Einfachste und Gemütlichste, was sich unter den Umständen tun lässt.«

Ich ergänze den Satz, indem ich sage, dass man überhaupt nichts anderes tun kann, sobald die Schiffe abgedampft sind und das Packeis zum undurchdringlichen Panzer gefriert. Acht Monate mindestens musst du verweilen, ob du willst oder nicht. Du vermagst nichts daran zu ändern, wenn es dir zu kalt ist und zu viel schneit, wenn dir das Waschen im gemeinsamen Schlafraum peinlich ist, wenn sich der Magen bei gebratenem Pinguin umdreht, wenn der Rentierschlafsack in Mund und Augen haart. Zwar hat man dich hier nicht auf Rosen gebettet, aber es gibt schlimmere Betten auf dieser Welt. Oft haben wir keinen glücklicheren und fröhlicheren Erdenfleck gekannt als Kleinamerika.

Nach dem Abendessen wurde es gemütlich. Man schob den Teller beiseite, holte die Pfeife heraus, entflammte eine Zigarette oder gesellte sich zu einer Gruppe in den anderen Räumen. Es gab Leute, die sich niemals Ruhe gönnten. Zu ihnen gehörte Ronne mit seiner schnurrenden Nähmaschine, die nur stillstand, wenn er die Nadel mit behänden Fingern führte, um die ihn jede Frau beneidet hätte. Braathen bastelte unermüdlich an einer Nachbildung der »City of New York«, die ein Kunstwerk zu werden versprach.

Jeder verriet seine eigene Auffassung von Freizeit und Muße. Hier war es auch, wo sich der sonst Unscheinbare von einer neuen und beachtenswerten Seite zeigte. Wir machten gewissermaßen eine Umwertung aller Werte durch, die sich dann im Rahmen der Winternacht zum Bild des Gewohnten ordneten. Der Blick aus dem neu gestalteten Dasein ließ die Vergangenheit als einen merkwürdigen und verworrenen Zustand erscheinen.

Wie stets fanden sich die Menschen zu Gevatterschaften zusammen, in denen die Gemeinsamkeit der Neigungen zum Ausdruck kam. Diese Kerne blieben beständig, wenn auch so mancher zwischen ihnen herüber- und hinüberwechselte. Zur Bildung streng gesonderter oder gar feindlicher Klüngel ließen wir uns indes nicht herbei. Dazu herrschte zu viel Gemeinsinn. Wie hätte es auch zu scharfen Scheidungen kommen können, wo wir doch die Heimlichkeit von Goldfischen und die Ellbogenfreiheit von Sardinen genossen. Es handelte sich mehr um Plauderecken, die bestimmten Geschmacksrichtungen entsprachen. Gleiche Neigungen oder Abneigungen führten die Geister zusammen.

Es gab eine Mehrheit für die Lagerverfassung und eine kleinere Minderheit, die dies oder jenes auszusetzen hatte. Sie regte an, brachte Leben in die Bude, ohne jemals unangenehm zu werden. So erwuchs ganz von selbst die freiheitliche Regierung von Kleinamerika. Manchmal machte sie es allen recht, oft auch nicht, wie es eben zum Schicksal der Staatsleitungen gehört.

Der größte Auflauf bildete sich um Benny Roths Koje, die in der Messe neben der Funkerei lag. Der Andrang war so groß, dass man ihn »Bennys Klumpen« nannte. Hier drehte sich Kleinamerika um seine Wabe. Wer sich dort lange genug aufhielt, für den gab es keine Geheimnisse mehr.



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