Faustrecht by Mann Sunil

Faustrecht by Mann Sunil

Autor:Mann, Sunil [Mann, Sunil]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Tags: Krimi/Thriller
ISBN: 9783894251642
Herausgeber: Grafit Verlag
veröffentlicht: 2014-08-17T22:00:00+00:00


Donnerstag

Während sich die Frauen dank eines seit Jahrzehnten andauernden Gleichstellungskampfs schrittweise Respekt verschafft und Selbstvertrauen gewonnen hatten, fläzten sich die Männer immer noch rülpsend, Bier trinkend und Fußball guckend auf den Sofas der westlichen Welt herum und glaubten ihre Privilegien in Sicherheit. Eine mehr als fahrlässige Haltung, wie sich im Alltag zeigte. Zwar verdienten die Frauen trotz aller Bemühungen immer noch weniger als Männer in vergleichbaren Positionen und es gab etliche Bereiche, wo hinsichtlich Gleichberechtigung dringend Handlungsbedarf bestand. Doch was Achtung anging, waren sie uns eindeutig voraus. Denn kein Mann, dem seine externen Fortpflanzungsorgane teuer waren, würde es wagen, einer Frau zu sagen: »Deine Brüste sind ja schrumpeliger als die Luftballons am Morgen nach einer Silvesterparty.« Oder: »Hinge dein Arsch nur ein paar Millimeter weniger tief, könnte man deine Kniekehlen bewundern.« So etwas sagten nicht einmal Frauen zu anderen Frauen, obwohl die üblicherweise wenig zimperlich miteinander umsprangen.

Umgekehrt allerdings schien niemand die geringsten Bedenken zu haben, Männern ihre körperlichen Unzulänglichkeiten unter die Nase zu reiben. »Bei George Clooney sehen graue Haare wenigstens sexy aus«, gehörte noch zu den harmloseren Bemerkungen, die man als Mann jenseits der Dreißig immer wieder zu hören bekam. »Hattest wohl einen guten Winter?«, »War dein Haarwuchs letztes Mal nicht irgendwie dichter?« oder »Zählst du deine Kinne eigentlich jeden Morgen durch?«, waren im Tonfall schon giftiger und wurden ringsherum meist mit ausgelassenem Gewieher quittiert. Dabei wurde stets einhellig erwartet, dass man sich als Betroffener über solche Seitenhiebe köstlich mitamüsierte. Manchmal steckte ich diese Angriffe ganz gut weg und hielt den Sticheleien meinen schweren Knochenbau oder den trägen Stoffwechsel entgegen, an anderen Tagen haderte ich ernsthaft mit meiner von Whisky, indischem Essen und einer höchstwahrscheinlich genetisch bedingten Bequemlichkeit angegriffenen Konstitution.

Deshalb hatte ich mir vorgenommen, zwecks körperlicher Ertüchtigung mindesten drei Mal pro Woche das Hallenbad City aufzusuchen. Ein helles und zweckmäßiges Gebäude im Stil der klassischen Moderne mit gigantischen Fensterfronten, Anfang der Vierzigerjahre eingeweiht und erst kürzlich rundum renoviert. Ein Fünfzigmeterbecken bildete dabei das Herzstück der vielseitigen Anlage. Eine revolutionäre Neuerung waren die Bewegungsmelder, die automatisch regloses Material registrierten. In Anbetracht der älteren Damen, die stets paarweise schnatternd die Bahn blockierten und sich mit Blümchenhaube bewehrt von der Strömung vom einen Beckenrand zum anderen treiben ließen, wunderte ich mich, dass der Alarm nicht häufiger losging.

Wie jedes Mal musste ich mich erst überwinden, ins Wasser zu steigen. Nicht, weil es zu kalt gewesen wäre. Angesichts der schuppigen Haut und schwärenden Wunden, der verrotzten Nasen, gelben Zehennägel und fettigen Haare anderer Badbesucher fragte ich mich aber bange, was davon wohl im Becken zurückblieb. Keineswegs zu meiner Entspannung trugen dabei diejenigen Leute bei, die überzeugt davon waren, mit ihrer Ausdünstung und Körperabsonderungen jeglicher Art allen eine Freude zu bereiten, und deshalb auf eine vorherige Dusche verzichteten. Mit dem Todesmut eines Märtyrers kniff ich dennoch die Augen zu und warf mich ins Nass.

Während ich den üblichen Kilometer abspulte, fand ich endlich die Muße, gründlich nachzudenken. Dieser Fall frustrierte mich zunehmend. Nachdem ich überzeugt gewesen war, Bühler einen Schritt näher gekommen zu sein, hatten wir seine Spur erneut verloren.



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