Eva und die Apfelfrauen by Tania Kraetschmar
Autor:Tania Kraetschmar [Kraetschmar, Tania]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783641096250
Google: 9etWAAAAQBAJ
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-10-20T22:00:00+00:00
14. Kapitel
»Ach, schüttel mich, schüttel mich,
wir Äpfel sind alle miteinander reif.«
Da schüttelte es den Baum,
dass die Äpfel fielen, als regneten sie,
und schüttelte, bis keiner mehr oben war.
Gebrüder Grimm
An diesem Abend schafften sie es kaum bis zum Wetterbericht (»Ein Hoch über Skandinavien sorgt weiterhin für trockenes und heißes Wetter in Brandenburg«), die Augen offen zu halten. Sie torkelten die Treppe hoch und fielen völlig erschöpft in ihre Betten.
Als Lady D’Arbanville vom Wald über die Felder zu ihrem bevorzugten Jagdgebiet schwebte und im Apfelgarten mit messerscharfen Krallen nach einer Maus griff, schliefen die fünf Frauen schon tief und fest.
Eva wachte früh am nächsten Morgen auf. Außer einem leichten Kopfschmerz war von der Schnapsverkostung – um es vorsichtig auszudrücken – nichts zurückgeblieben. Der bittere Nachgeschmack kam entweder von den zwei Aspirin, die sie schlauerweise vor dem Schlafen geschluckt hatte, oder von Sauerts unmöglichem Auftritt.
Kann es uns schaden, den Bürgermeister zum Feind zu haben?, überlegte Eva unter der Dusche. Nein, entschied sie, während sie in ein mohnrotes Sommerkleid schlüpfte und sich die feuchten Locken bürstete. Was sollte schon passieren? In gut zwei Monaten würden sie wegziehen und den Dorftyrannen nie wiedersehen. Sie waren nicht so alt geworden, um sich von so einem ins Bockshorn jagen zu lassen. Über so einen lachte man am besten.
Auf keinen Fall sollten sie Sauert ernst nehmen! Sie waren zu fünft und er allein, sah man mal von seiner scheuen Tochter ab. Sie waren gestandene Frauen, Freundinnen, die sich aufeinander verlassen konnten. Und er? Ein unsympathischer Bürohengst, den niemand im Dorf ausstehen konnte und der sich mit abstrusen Behauptungen wichtigmachte.
Eva ließ die Bürste sinken.
Die Zeit flog. In zwei Monaten würde der Sommer in Wannsee vorbei sein und sie wieder in Berlin. Denn dass sie das Haus behielten, war ausgeschlossen. Es passte einfach nicht dauerhaft in ihre Leben. Wenn sie es erst mal verkauft hatten, konnten sie in der Stadt den ersten Schritt zu ihrem Plan tun, zu fünft gemeinsam durchzustarten, in Richtung … bestes Alter.
Eva schaute aus dem Fenster und versuchte sich vorzustellen, wie es in Wannsee später im Jahr aussah. Wo jetzt Singvögel zwitscherten und Schwalben durch die Luft schossen, war vielleicht der raue Schrei der Kraniche zu hören, die in den Süden flogen. Wo jetzt betörender Sommerduft von wilden Blumen und reifem Getreide, von warmem Sand und trockenem Heu in der Luft lag, würde man vielleicht den herben Geruch von Holz wahrnehmen, wenn die Wannseer ihre Kamine heizten. Wo die Galloways jetzt mit ihren Kälbern über die Weide zogen und gemütlich wiederkäuten, würden sie vielleicht im Raureif stehen, ihr Atem eine frostige Wolke in der kalten Luft, ihr lockiges Winterfell ein wärmender Schutz gegen die Kälte. Und der Wannsee, in dem man jetzt baden konnte, wäre im Dezember bestimmt zugefroren, hervorragend zum Schlittschuhlaufen. Mal davon abgesehen, dass sie nicht mehr gelaufen war, seit sie ein Kind war, und keine Schlittschuhe mehr besaß … Plötzlich tat ihr der Gedanke, Annas Haus zu verkaufen, regelrecht weh.
Eva startete die Kaffeemaschine, und während der Kaffee durchlief, checkte sie ihre E-Mails. Seit sie und Nele das Home Office betrieben, waren Titus’ Kommentare ausnahmslos positiv.
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