Eva und Adam by Flasch Kurt

Autor:Flasch, Kurt [Flasch, Kurt]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Christliche Religionen
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2016-12-11T23:00:00+00:00

Nichts spricht für eine Darstellung Christi als des «neuen» Adam. Auch für den auferstandenen alten Adam gibt es keine Hinweise, hingegen stimmen folgende Faktoren zu dem soeben geschaffenen Adam:

Der Kopf paßt zum jugendlichen Alter von etwa 30 Jahren des «alten» Adam, die Purpurfarbe der Binde entspricht seiner Rolle als Herrscher. Die Deutung der Farbe als Taufsymbol ist optisch nicht einzulösen. Zwar gab es die Überlieferung, Adams Schädel sei unter dem Kreuz vom Blut Christi benetzt und damit von Sünden gereinigt worden, aber es handelt sich um einen Kopf, nicht um einen Totenschädel, und die Farbreste finden sich nur an der Herrscherbinde. Der rötliche Sandstein, der in Mainz allerdings häufig ist, mochte daran erinnern: Adams Leib war aus roter Erde gebildet, wie Flavius Josephus zu wissen glaubte (Antiquitates I 1, 2); Petrus Comestor hat diese Version überliefert; noch Luther kannte diese Auslegung und lehnte sie ab.[12]

Der Adam des Mainzer Domlettners streckte Hände und Füße in die vier Himmelsrichtungen aus. Diese Position im zusammenlaufenden Kreuzrippengewölbe legt die Einheit von vier Konstituentien nahe, seien diese die vier Elemente, die vier Himmelsrichtungen, deren griechische Anfangsbuchstaben das Wort «Adam» ergeben,[13] oder die vier Kardinaltugenden, die aus seiner Weisheit hervorgehen. Dieser Adam, der perfekte königliche Mensch als Mikrokosmos, befand sich am höchsten Punkt des Lettnergewölbes; auf dem Lettner erhob sich über ihm das Triumphkreuz, von dem man sich vorstellte, es stehe am Mittelpunkt der Welt. In der Mitte des 13. Jahrhunderts standen Adam und Christus, also Anfang und Höhepunkt der Geschichte, Kosmos und Erlösung, harmonisiert vor Augen; zwischen den beiden Männern war Eva nicht zu sehen.

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