Es war ein Traum by Rudolf Stratz

Es war ein Traum by Rudolf Stratz

Autor:Rudolf Stratz [Stratz, Rudolf]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-11T00:00:00+00:00


III

Eine halbe Stunde darauf sassen sie alle drei beim Lunch, in dem grossen Speiseraum, auf dessen Büfetts als das einzige, was Arvid an das Elternhaus erinnern konnte, das vergilbte Braunscheidtsche Familiensilber prangte. Sonst war alles verschieden von der schwerfälligen Behaglichkeit eines von Generationen eingewohnten altfränkischen Herrensitzes auf dem Lande — alles neu, geschmackvoll — vornehmster, unauffälliger Luxus einer schönen jungen Frau.

Arvid redete bei Tische fast allein, von seiner grossen Durchquerung Afrikas, die seit Monaten — seit vom Kongo die Nachricht von seinem glücklichen Wiederauftauchen an der Westküste angelangt war — die Kolonialpolitiker und die Gelehrtenwelt im Atem hielt. Seine Sprache klang eintönig, ohne Hebungen und Senkungen, leidenschaftslos und leise, so leise zwischen den Zähnen, dass die anderen manchmal Mühe hatten, ihn zu verstehen, besonders am Schluss der Sätze, wo er die Stimme gleichgültig fallen liess, als lohne es ihm nicht mehr der Mühe, weiter zu reden. Und doch war, was er berichtete, fesselnd genug — eine lange Folge von Abenteuern und Gefahren, von Mühen, Krankheiten und Entbehrungen, die sich wie eine dunkle Perlenschnur an der Kette eines zähen, unzerreissbaren Manneswillens, eine hinter der anderen, bis zum siegreichen Schlusse aufreihten.

Die beiden anderen, die graue und die blonde Exzellenz, hörten schweigend zu und zuweilen besonnte ein grimmiges, befriedigtes Lächeln Herrn von Braunscheidts gebräunte Züge. Sein Auge hing an dem blassen Antlitz des Sohnes. Er lauschte mit tiefer Aufmerksamkeit dem trockenen, stockenden Bericht von Not und Tod in tausenderlei Gestalt.

Bei diesem afrikanischen Totentanz, der sich da vor ihm entrollte, klang etwas Verwandtes in seinem Inneren mit, ein Wiedererwachen lange vergessener und begrabener Jugendwünsche. Vor einem Menschenalter war er auch einmal zu Anfang der dreissig gewesen, ein baumlanger, hagerer wilder Geselle, zehnmal wilder als dieser bleiche, äusserlich so unscheinbare Gelehrte da neben ihm! Damals hatte er nicht gewusst, wohin mit dem zornigen Tatendrang, der Abenteurerlust, die in seinen Adern kochte und hämmerte. Er hatte davon geträumt, fremde Kriegsdienste zu nehmen, die Welt zu umsegeln, irgendwie den Überschuss an unruhiger Kraft loszuwerden. Aber in seiner Jugend war man in Deutschland noch sesshafter als jetzt in seinen alten Tagen. Die Scholle hielt einen fest und mehr noch nach dem Tode des Vaters das stolze Selbstgenügen des Grossgrundbesitzers an seinem eigenen, ihm allein untertanen Stück Erde. So war er, nach den kurzen Brausejahren der Universitätszeit, fast unmerklich in den altgewohnten Lauf der Dinge hineingeglitten, weiter und weiter im Staatsdienst — und als er sich aus dem aufs Land und in die Freiheit gerettet, waren seine besten Tage schon vorbei — er hatte eine sterbenskranke Frau — sein Lebensschiff lag für immer fest verankert im Hafen und sein angeborenes Phlegma liess ihn diese Weltzurückgezogenheit als die würdigste und vornehmste Form des Daseins erscheinen.

Aber ein grimmes Behagen war ihm doch geblieben, wenn er von Menschen und Taten hörte, die der Alltäglichkeit der Dinge spotteten. Wer über die Schranken des Philisteriums hinaussprang, war sein Mann! Dem fühlte er sich seelisch nahe in seiner tiefen, gelassenen Verachtung der Massen und ihrer Gesetze.

Sein Sohn da hatte die Laub- und Palmenwölbungen des unbetretenen



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