Entwicklungspsychologie der Kindheit by Gudrun Schwarzer Bianca Jovanovic

Entwicklungspsychologie der Kindheit by Gudrun Schwarzer Bianca Jovanovic

Autor:Gudrun Schwarzer,Bianca Jovanovic
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bookwire GmbH
veröffentlicht: 2015-12-08T16:00:00+00:00


7.3.2.2.2 Grundlagen der frühen Gedächtnisentwicklung

Die Interpretation der nonverbalen Gedächtnisleistungen ist nicht einfach, da das Kriterium der Bewusstheit, das beim deklarativen Gedächtnis eine herausragende Rolle spielt, hier kaum angelegt werden kann. Inwiefern unterscheiden sich nun die Gedächtnisrepräsentationen junger Säuglinge von denen älterer Kinder oder Erwachsener? Hierzu gibt es verschiedene Meinungen. Die Ansätze von Bauer (2009) und Nelson (1995) betrachten reifungsbedingte Veränderungen im Gehirn als Ursachen für die Entwicklung des deklarativen Gedächtnisses. Sie gehen aufgrund von Befunden zur Gehirnentwicklung davon aus, dass das medial-temporale Netzwerk, das dem deklarativen Gedächtnis zugrunde liegt, erst mit Ende des ersten Lebensjahres ausreichend funktional ist, um deklarative Gedächtniseinträge zu ermöglichen. So ist der Hippocampus zwar größtenteils bei der Geburt ausgereift, die Entwicklung einer wichtigen Teilstruktur, nämlich des Gyrus Dentatus, die bei Erwachsenen eine wichtige Rolle für das Gedächtnis spielt (Bauer, 2009), dauert jedoch in ihren basalen Grundzügen mindestens bis zum Alter von 12 bis 15 Monaten an (Seress & Abraham, 2008). Nelson (1995; Richmond & Nelson, 2007) nimmt an, dass es sich bei früheren Gedächtnisleistungen um eine Art »prä-explizites« Gedächtnis handelt, das letztendlich im Alter von ungefähr 8 Monaten zu einem erwachsenenähnlichen System ausreift. Während das medial-temporale System insbesondere für die Konsolidierung von Informationen wichtig ist, unterliegen auch andere Gehirnareale, die für weitere Gedächtnisprozesse eine wichtige Rolle spielen, entwicklungsbedingten Veränderungen. So sind etwa Veränderungen in der Enkodierung mit der Reifung und Myelinisierung der Assoziationscortices in Zusammenhang gebracht worden (Howe, 2011; Richmond & Nelson, 2007). Insbesondere dauert die Entwicklung des präfrontalen Cortex lange an (Bauer, 2009; Kap. 4). Da den Gedächtnisfunktionen letztendlich ein Netzwerk von Arealen zugrunde liegt, ist die Myelinisierung von Verbindungen zwischen verschiedenen Arealen auch ein wichtiger Faktor, wie beispielweise zwischen dem medialen Temporallappen und dem präfrontalen Cortex (Mabbott et al., 2009). Fortschritte in der Gedächtnisentwicklung können mit diesen Veränderungen in Zusammenhang gebracht werden, da sich die genannten Entwicklungsprozesse teilweise über Jahre hinweg erstrecken, wie z. B. die Myelinisierung.

Eine andere Perspektive vertreten Rovée-Collier und Cuevas (2009) in ihrem ökologischen Ansatz. Sie nehmen an, dass es nicht die Lern- und Gedächtniskapazitäten sind, die sich mit dem Alter stark ändern, sondern vielmehr die Art der Informationen, die gespeichert wird. Da Erwachsene und Säuglinge verschiedenen anpassungsbedingten Anforderungen gegenüber stehen, sind für sie unterschiedliche Aspekte von Informationen wichtig. So zeige die Kontextgebundenheit junger Säuglinge und der Befund, dass sie leichter Assoziationen zwischen verschiedensten Stimuli lernen können, dass sie prinzipiell mehr Aspekte einer Situation speichern würden, aber auch mehr vergessen würden. Dieser Mechanismus würde Säuglinge dazu befähigen, sich flexibel an verschiedene neue Situationen anzupassen und Informationen bzw. Assoziationen, insbesondere dann zu speichern, wenn sie häufig gemeinsam auftreten.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.