Eine Liebe im Kaukasus by Ganijewa & Alissa

Eine Liebe im Kaukasus by Ganijewa & Alissa

Autor:Ganijewa & Alissa
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2016-08-09T00:00:00+00:00


Die Nachbarinnen

Seit Tagen tat ich keinen Schritt vom Hof. Mir kam es die ganze Zeit so vor, als wäre jede Ecke und jede Kreuzung ein Spion von Timur, und sobald ich die Schwelle überschritte, würden die Straßen zuschnappen, mich am Schlafittchen packen und meinem Peiniger ausliefern, dem verhassten Klein-Zack mit der hellen Igelfrisur. Er rief mehrmals täglich an, forderte ein Treffen, verlegte sich auf Drohungen, dann wieder auf Schmeicheleien und Liebesgesäusel. Mit dem Mann war eindeutig etwas nicht in Ordnung.

Als Aida mit ihren zwei älteren Söhnen, die vom Liegen in der Wiege ganz platte Hinterköpfe bekommen hatten, bei mir vorbeischaute, verplapperte sie sich: Timur hatte es auch schon bei ihr versucht und sich erkundigt, wie man mich zu freiwilliger Gegenliebe bewegen könnte. Aida hatte angeblich geantwortet, das Wichtigste wäre, nicht mit Brachialgewalt vorzugehen. Doch Ratschläge schien Timur nicht zu beherzigen.

»Du bist selber schuld, Patja«, schimpfte Aida, während sie ihren ewigen Turban neu wickelte. »Du hättest ihm nicht so lange aus Moskau schreiben dürfen. Wieso hast du überhaupt einem Treffen zugestimmt?«

»Ich wusste doch nicht, wie der ist …«

»Sie wusste es nicht … Jetzt musst du die Suppe auslöffeln. Er hat eben gedacht, wenn du ihm antwortest, ihm schreibst, dann willst du ihn auch heiraten …«

Ich brannte darauf, Marina mein Herz auszuschütten, aber die machte irgendwo in Bulgarien Urlaub. Ob ich sie wiedersehen, ob ich nach Moskau zurückgehen würde? Mama hatte schon ein paar Mal hitzig ausgerufen, das käme überhaupt nicht in Frage, um gar keinen Preis. Dort würde ich, man stelle sich vor, endgültig verlernen, Chinkal zu kochen, rasch dahinwelken und zu einer alten Jungfer zusammenschrumpeln.

»Bald bist du sechsundzwanzig! Dich will schon keiner mehr geschenkt haben!«, mokierte sie sich immer wieder.

Papa merkte, dass ich nur im Haus saß, und schlug mir vor, mich in die Stadt zu fahren:

»Da hast du doch Studienfreundinnen, oder? Uma, Mascha …«

Dass er die Namen behalten hatte! Die Freundinnen gab es wirklich, aber die eine war den Sommer über ins Gebirge gefahren, um Quellwasser zu trinken, auf Almwiesen zu wandern, gesunde Höhenluft zu atmen. Und die zweite bereitete als Aktivistin eifrig das Jugendforum vor, von dem Timur andauernd gequatscht hatte. Ich betete, er möge zu ebendiesem Forum in die Stadt abzischen, und zwar möglichst schnell, aber von wegen. Ohne eine Antwort auf seine zudringlichen Anrufe abzuwarten, schickte er mir die drohende Nachricht:

»Trotz allem wirst du mir gehören!«

Vor meinem inneren Auge sah ich einen Sack überm Kopf, einen Kofferraum – und bekam einen solchen Schreck, dass ich mich zu Oma in die Diele setzte, um den vierzig Nachbarinnen zuzuhören, die sich in billigen Baumwollkaftanen, die Nachthemden glichen, zum Schälen eines Riesenbergs Kürbiskerne eingefunden hatten. Wozu – danach fragte ich nicht einmal. Meine Eltern waren nicht da. Papa war tatsächlich in die Stadt gefahren, um an einer hastig organisierten Kundgebung für Halilbeks Befreiung teilzunehmen, Mama, die die Aktion in Bausch und Bogen verdammte, hatte sich im letzten Moment angeschlossen, natürlich nicht, um zur Kundgebung zu gehen, sondern um einen Besuch zu machen. Vielleicht bei Magomedows.

Die Nachbarinnen saßen auf dem



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