Ein Elefant für Karl den Großen by Husemann Dirk

Ein Elefant für Karl den Großen by Husemann Dirk

Autor:Husemann, Dirk [Husemann, Dirk]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7325-0686-6
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2015-09-12T00:00:00+00:00


17.

Ein Luftstoß ließ den Milan taumeln. Er zog die Flügel an, um dem Wind weniger Angriffsfläche zu bieten. Mit den Steuerfedern tastete der Greifvogel nach Aufwinden. Der Hase in seinen Krallen war tot, doch vom Winterspeck bereits so schwer, dass er ihn kaum mehr halten konnte. Es war an der Zeit, in den Horst zu fliegen. Aber an diesem stürmischen Herbsttag waren die Winde über dem Flusstal so unberechenbar, dass nicht einmal der Instinkt eines Vogels sie vorhersehen konnte. Eine Windbö hob den Gabelschwanz des Räubers und zwang ihn in den Sturzflug, dann wurde er von einem seitlichen Wind getroffen und nach rechts geschleudert. Der Hakenschnabel öffnete sich, um ein zorniges Krächzen über das Land hallen zu lassen. Es half nichts. Er weitete die Krallen und ließ die Beute fallen. Erleichtert schüttelte der Milan die Federn, peitschte mit den Schwingen, tanzte, jetzt wieder im Rhythmus des Windes, in die Höhe und verschwand.

Imma und Adelind hatten schon seit Stunden kein Wort mehr gewechselt. Hunger, Müdigkeit und das hypnotische Schaukeln des Ochsenkarrens, das nur ab und zu durch ein Loch in der Straße unterbrochen wurde, hatten ihre Zungen einschlafen lassen.

Ein Knall schreckte sie auf. Adelind wurde vom Kutschbock geschleudert. Imma riss die Ochsen am Zügel, und die Tiere hielten schwerfällig an. Die Nonne sprang in den Schlamm und watete zu ihrer Gefährtin, die sich bereits wieder aufgerappelt hatte und einen Hasen in der Faust hielt. Das Tier war tot.

»Verflucht! Wieso fallen mit einem Mal Hasen vom Himmel?« Adelind starrte angewidert auf den Kadaver. Ihre Stirn war vom Blut des Tieres verschmiert, ihr Kleid vom Morast besudelt.

Als Imma sah, dass der Novizin nichts geschehen war, schenkte sie dem Hasen ihr Interesse. »Fluche nicht im Angesicht eines Wunders! Ein Geschenk des Herrn. Unsere Gebete sind erhört worden. Für heute hat es mit dem Hungern ein Ende. Komm, wir wollen uns einen Lagerplatz suchen und schmausen wie die Hausmeier.«

Adelind ließ sich von der älteren Nonne auf die Beine ziehen. »Habt Ihr denn Erfahrung darin, Wild zuzubereiten? Im Kloster bekamen wir doch immer nur Hirsebrei und Brot. Wir können von Glück reden, wenn wir ein Feuer in Gang bekommen. Die qualmenden Haufen der vergangenen Nächte wollt Ihr doch wohl nicht Feuer nennen?«

Lag es an der Kraft der Verzweiflung, die leere Mägen hervorbrachten, oder hatte Gott auch hier seine Hand im Spiel? Bis zum Anbruch der Nacht gelang es den Frauen, aus einem Stoß Geäst Flämmchen hervorzulocken und sie mit Pusten und Stochern zu nähren, bis ein passables Feuer in den Himmel blakte. Bald war der Hase des Fells und der Innereien ledig – Imma konnte sich einiger Handgriffe erinnern, die sie der Cellerarin abgeschaut hatte – und schmorte über den Flammen, während das Fett in die Glut zischte.

Imma wischte sich die Finger an ihrem Rock ab, den sie aus der Kleidung des Fuhrmanns Ludwig geschneidert hatte. Sie war ein wenig stolz darauf, dass sie dem Stoff sogar etwas Form gegeben hatte, sodass er jetzt in grünen Falten um ihre Beine fiel. Aber die Tage auf der Straße hatten den Rock ebenso in Mitleidenschaft gezogen wie seine Trägerin.



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