Dohlenwinter (German Edition) by Björkelid Anders
Autor:Björkelid, Anders [Björkelid, Anders]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fantasy
ISBN: 9783764190576
Herausgeber: Ueberreuter Verlag
veröffentlicht: 2014-07-24T22:00:00+00:00
16
Harschschnee und Schwertspiel
Genau wie die Bergherrin vorhergesagt hatte, erwartete uns am nächsten Morgen eine feste Harschschicht. Wulf schlug so lange mit den Handschuhen darauf ein, bis sie brach, und hielt dann ein Stück davon hoch â es war gut und gerne einen Zoll dick.
Beste Bedingungen fürs Gleiten.
Aus einem der vielen Winkel und Nischen ihrer Hütte zauberte die Bergherrin zwei Paar Gleitkufen hervor, die wir an unseren Stiefeln befestigen konnten â und schon begaben wir uns damit auf direktem Wege in den Wald. Für mich bedeuteten Gleitkufen und Harschschnee Freiheit, so war das schon immer gewesen. Vater hatte stets betont, wie praktisch es war, einfach über den Schnee gleitend jagen zu können, wenn sich das Beutetier mühsam hindurchquälen musste. Ich hingegen fand es am spannendsten, wie sehr der Schnee den Winter und das Leben an sich beeinflusste.
Ohne Kufen oder wenn der Schnee zu locker war, um zu tragen, glich der Winter einem Gefängnis. Rund um den Hof standen die Bäume dann dicht wie die Stäbe eines Käfigs und man kam höchstens auf schmalen, ausgetrampelten Pfaden vorwärts. Trug der Schnee jedoch oder wurde sogar von einer dicken Harschschicht gekrönt, war der Wald wie verwandelt. Mit Gleitkufen unter den FüÃen gab es fast kein Hindernis mehr. Pfade waren plötzlich überflüssig, man konnte einfach überall hin, sogar an Orte, die selbst im Sommer unerreichbar waren. Ins Moor, auf die Seen, den Fluss â alles war mit einem Mal befahrbar. Ich liebte nichts mehr, als über die Sümpfe zu fahren, wo ich zur Sommerzeit im Schlamm stecken geblieben oder von den Insekten zerstochen worden wäre. So konnte ich direkt auf einem Sumpfloch stehen bleiben und den Wald aus einem völlig neuen Blickwinkel betrachten. Ihn sehen, wie es sonst nur Mücken und Libellen möglich war.
Wir genossen diese Freiheit in den Tagen nach Mittwinter sehr, Wulf und ich. Inzwischen waren wir so gut darin, uns vor der Wirkung des Unwinters zu schützen, dass wir es sogar wagten, längere Touren in die Wälder zu unternehmen. An manchen Orten war der Unwinter stärker als an anderen. Wenn man sich dort länger aufhielt, verlor man schnell Hoffnung und Kraft, wir wurden jedoch immer besser darin, diese Orte zu erkennen und zu meiden. Oft gab es deutliche Zeichen, auf die man nur achten musste. Wo die Kälte so intensiv vorherrschte, dass selbst das Holz gefror, waren die Baumstämme aufgeplatzt und gesplittert. Wo Licht und Farben blass und leblos wirkten, trachtete der Unwinter am heftigsten nach Gedanken und Gefühlen. Und nach einer Weile lieà sich selbst der unnatürliche Schnee mit seinen immer gleichen Flocken vom echten unterscheiden â meist lag er mit einer unangenehmen RegelmäÃigkeit auf dem Boden verteilt oder zu Wehen zusammengeschoben.
Selbstverständlich drehten sich unsere Gespräche während der ersten Ausflüge fast ausschlieÃlich um das, was wir in der Mittwinternacht gesehen hatten.
»Sie war groà wie ein Pferd«, erzählte Wulf. »Eine schwarze Sau mit milchweiÃen Augen. Ich glaube, sie war alt, ihre Haut war nämlich voller Beulen und Falten, und einer der Hauer fehlte.«
»War das eine Erscheinung?«, fragte ich, lehnte mich auf meine Stöcke und atmete aus.
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