Division Brandenburg by Will Berthold

Division Brandenburg by Will Berthold

Autor:Will Berthold
Die sprache: dan
Format: epub
Herausgeber: Lindhardt og Ringhof
veröffentlicht: 2017-12-01T00:00:00+00:00


* * *

Einen Moment bockte die brave Ju im Aufwind. Jetzt drückt sie der Pilot so brutal nach unten, als wollte er ihr die Flügel abreißen. Was sich nicht festhält, kullert fluchend nach vorne. Im Liegen noch starrt Oberleutnant Pflug auf den selbstgewählten Landeplatz. Aus 500 Meter Höhe wirkt die Gegend auch nicht einladender. Ein enger Kessel, ringsum Berge, in der Mitte ein schmales, ein verdammt schmales Plateau.

Der Offizier beginnt zu rechnen: der Wind wird uns auseinandertreiben. Die ersten und die letzten werden vermutlich über den Platz geweht, also dürfte die Hälfte da aufkommen, wo es senkrecht nach unten geht. Dann gute Nacht, überlegt er weiter. Wenn ich Schwein habe, verbessert er seine Addition, wird vielleicht ein Drittel draufgehen …

Er steht auf und krallt sich an den Schultern des Flugzeugführers fest.

„Tiefer!“ sagt er.

Der Oberfeldwebel preßt die Lippen aufeinander.

„Von mir aus …“, knurrt er.

Idiot, denkt er dabei, was verstehst du vom Fliegen? Was du verlangst, ist kaum mit einer Kunstflugmaschine zu riskieren … Aber ich bring’ dir das Fürchten bei, und wenn ich mir selbst das Genick breche …

Er wendet, reißt die Ju hoch, steuert in einem weiten Halbkreis die Position noch einmal an. Pflug begreift, daß er in zwei Gruppen springen kann, und lächelt zufrieden. Die Maschine wird so nieder wie möglich über dem Kessel einfliegen, dann Absprung der ersten Hälfte, dann hochreißen, eine Steilkehre gegen den Berg, am Rückflug Absprung des Rests, und dann fast senkrecht nach oben. Aber das hat mit der „Operation Schamyl“ nichts mehr zu tun.

Jetzt, da es darauf ankommt, ist Pflugs Sodbrennen weg. Er ist wieder der kalte, beinahe zynische Draufgänger, bei dem die Natur die Nerven vergessen hat. Fünf Minuten noch! Solange betrachtet er sein eigenes Schicksal so kühl-distanziert wie ein junger Mediziner sein Studienobjekt.

Oberleutnant Pflug geht zurück in den Laderaum, nickt seinen Leuten zu. Sie stehen auf, hängen den Karabinerhaken mit der Reißleine ein. Der Offizier kontrolliert es. Ein halbes Dutzend mal wurde es geübt. Aber diesmal vergißt Pflug seine sonstigen Begleitworte: „Wenn ihr das Scheißding vergeßt, dann lebt ihr gerade noch solange, um euch zu wundem, daß der Schirm nicht aufgeht.“

Das Luk ist offen. Der Wind schleudert den Männern die Zigarettenglut in das Gesicht. Seitdem sie das verdammte Loch sehen, durch das sie springen müssen, sind sie unruhig. Springen ist ganz leicht, nur die letzten drei Minuten stoppt der Teufel. Sie müssen überwunden werden. Diese glasige, sulzige Trance, diese Fieberaugen, diese Platzangst. Jeder tut das auf seine Weise. Der eine küßt ein Amulett, der zweite streichelt seinen Talisman, der dritte flucht lautlos, ein vierter lacht wiehernd, und der fünfte stammelt heimlich ein Gebet …

Pflug zählt die Karabinerhaken nach. 34. Fehlt doch einer! Und dann hängt er sich grinsend selbst ein. Er betrachtet Mansura, den Mann, der die Abwehr auf diesen Einsatz brachte. Der Tschetschene nickt zurück und tritt dichter an das Luk. Er starrt hinunter. Sein Gesicht bleibt gleichmütig. Er weiß ja noch nicht, daß er als erster sterben wird …

Die anderen stehen dicht hinter ihm. Hanefi wirft lächelnd die Zigarettenkippe weg.



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