Die verlorene Handschrift by Freytag Gustav

Die verlorene Handschrift by Freytag Gustav

Autor:Freytag, Gustav
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


Der Doctor saß noch ein wenig betäubt bei seinen Büchern, als dieser Brief bei ihm einfiel. Er warf einen Blick auf die Käferhochzeit; alte Einzeldrucke davon waren ihm überhaupt noch nicht davon vorgekommen und er sah schon bei schnellem Ueberfliegen, daß manche Verse ganz anders lauteten als in unserm landläufigen Text. Dann nahm er den Zettel und suchte den Orakelspruch desselben zu verstehen. Allerdings, jetzt war unzweifelhaft, daß die Sendung von der Schauspielerin kam, denn wer sonst konnte wissen, daß er sie mit Julia angeredet hatte, und daß lange von dieser Rolle die Rede gewesen war. Aber was sollten die Worte: Sie vermuthen falsch? Auch darüber ging ihm ein blendendes Licht auf. Er hatte behauptet, daß die Darstellung der Leidenschaft dem Künstler nur bis zu einem gewissen Grade möglich sei, wenn ihm nicht einmal das Leben selbst eine ähnliche Kette von Empfindungen durch die Seele gezogen hätte. Das hatte die Schauspielerin geleugnet, und sie hatten sich darüber zu vereinigen gesucht. Ihre Worte bedeuteten also offenbar, daß sie die Julia gegeben, ohne je eine große Leidenschaft gefühlt zu haben. Nun, dies war ein Geständniß, das wieder viel Vertrauen zeigte, ja vielleicht noch mehr. Der Doctor saß lange vor dem Blatt. Aber er wurde jetzt ziemlich sicher, mit wem er Briefwechsel führe, und die Entdeckung machte ihn nicht froh. Denn wie er sich auch mit verständigen Gründen gesträubt hatte, es waren doch immer Laura's Augen gewesen, die ihm von dem Papier entgegenstrahlten, freilich ein ganz anderer Blick, als sie ihm gestern vergönnt hatte. Er legte die Käferhochzeit still zu den andern Liedern, und wieder frug er sich, ob er den Briefwechsel jetzt noch fortsetzen dürfe. Endlich packte er als Antwort die fällige Abgabe ein, etwas aus dem verblühten Vorrath seiner Mappe, und schrieb nichts weiter dazu.

Einige Tage darauf ging der Professor mit Ilse durch die Straße, und als sie bei der Wohnung der Schauspielerin vorbeikamen, sahen beide den Freund am Fenster der Heldin stehen, und Fritz nickte ihnen hinter den Scheiben zu.

»Wie kommt er zu dieser Bekanntschaft?« frug der Professor, »gilt die junge Dame nicht für sehr emancipirt?« »Ich fürchte,« antwortete Ilse bekümmert.

Zu Madame Hummel aber kam Frau Knips, welche der Schauspielerin gegenüber wohnte, mit noch feuchter Wäsche gelaufen und erzählte, daß am Abend zuvor ein ganzer Korb Champagner zu dem Fräulein geschafft worden sei, und daß man in der Nacht den lauten Gesang einer wilden Gesellschaft über die ganze Straße gehört habe, und der junge Herr Hahn sei mitten darunter gewesen!

Am Sonntag war der Komiker zum Mittagsbraten des Herrn Hummel geladen, und eine seiner ersten Anekdoten war, daß er von einer lustigen Gesellschaft erzählte, die bei der Schauspielerin gewesen war. Mit der Bosheit, welche auch Genossen derselben Kunst einander zu Theil werden lassen, setzte er hinzu: »Sie hat einen neuen Verehrer gefunden, den Sohn von drüben. Nun, das Geld seines Vaters wird doch auf diesem Wege der Kunst zu Hilfe kommen.« Herr Hummel machte große Augen und schüttelte den Kopf, sagte aber weiter nichts als: »Also auch Fritz Hahn ist unter



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